Neuss - Usedom & nichts bleibt, wie es einmal war

…….ist ein Radreisebericht, der Rückschau hält und verstrickt ist im Moment. Jeden Tag, jede Stunde kann es sein, dass ich diese Reise beenden muss.


Mein Vater ist ein „Pflegefall“
Sein grosser Wunsch war es immer, niemals in einem Altenheim leben zu müssen. Wir respektieren das und Mama ist seit 1½ Jahren die kraftvolle Stütze in dieser traurigen Situation. Dabei helfe ihr so gut wie ich es kann und habe auch meine Radreise immer wieder verschoben. „Kann ich weg? Heute ja und morgen? Eine Woche? Zwei Wochen?“ Ich habe viel darüber nachgedacht und spüre, dass Regeneration und Ruhe notwendig sind. Deshalb brauche ich jetzt Urlaub. Deshalb mache ich jetzt diese Reise. Ich möchte auch morgen noch mit Kraft und in Liebe meine Eltern unterstützen können. Wir haben besprochen, dass ich die geplante Strecke Neuss – Rügen – Berlin nicht an einem Stück sondern in Etappen fahren werde, die sich nach der Situation zu Hause richten.
Im Notfall werde ich innerhalb von 12 Stunden zu Hause sein. Das habe ich meinen Eltern versprochen.

1. Teil von Neuss nach Lüneburg........ gefahrene Strecke ............Photoalbum Teil 1............. zu Seite 2

der erste Tag, der linke Niederrhein
Neuss- Wesel 70 km, 75 hm, Sonnenschein

Nach einem kräftigen Frühstück verlasse ich Neuss nördlich über die Lauvenburg, radle an kleinen Seen vorbei weiter nach Meerbusch Osterrath und hoffe, dass ich mich im Meerbuscher Norden nicht verfranse, denn nur die ersten Kreuzungen habe ich noch im Kopf. Der Rest wird sich geben, ich habe ja meine 150.000er Karten Karte: BVA dabei, die sich im Prinzip als völlig ausreichend erweisen werden, wenn man genau, sehr genau draufschaut. Die Beine fühlen sich gut an und nach 25 km gibt’s die erste Pause in Krefeld-Uerdingen am Rhein. Die Bauruine der alten Ölmühle wird wohl leider auch im nächsten Jahrhundert noch Ruine sein, denn die Stadt Krefeld verhindert hier m. E. im Namen „Aspirinius des Bayer“ eine gescheite Investition in dieser traumhaften Lage mit RheinBlick auf die Duisburger Rheinauen.

Viel zu erzählen gibt’s hier nicht, die Radwege sind ordentlich gekehrt und gut beschildert. Der Niederrheiner fährt gerne aufrecht auf seinem elektrischen Fahrrad mit Rückspiegel, die Niederrheinerin fährt hoch gelegene größtmögliche Körbchen und man trifft sich im Café und verspeist „lecker“ Apfeltorte am Sonntagnachmittag.
Draußen nur Kännchen gibt es hier auch nicht mehr in Büderich am Rhein, kurz vor der Weseler Brücke.
Jetzt noch schnell zum Campingplatz, der mich doch überrascht. Jürgen Drews ist nicht tot, nicht unter den Mähdrescher gekommen. Nein, er war 2 Tage vorher noch hier auf dem Party-Dauer-Campingplatz auf der Grav-Insel. Hunderte von festen Wohnmöglichkeiten, Supermarkt, 2 riesige Leinwände mit Fußballübertragung, perfekte sanitäre Anlagen, sättigende Schnitzel und alles liegt mittendrin in der schönsten Natur. „Was will Mann mehr!“ sagt der Dauercamper, der schon 20 Jahre in seinem 10-Meter-Wohnwagen, fest ausgebaut, wohnt.
Ich weiss es anders und geh schlafen im gelben HubbaHubba Land auf der „Rheinpromenade“. Die Wege hier haben nämlich Namen.


der zweite Tag, im Lipperland
Wesel-Haltern am See 71 km, 58 hm, Sonnenschein

Anruf zu Hause, es ist alles in Ordnung, ich kann beruhigt radeln und Mama freut sich, wenn’s mir gut geht. schmunzelIch freu mich, wenn’s ihr gut geht. schmunzelDieses Telefon-Ritual ist bewährt, wiederholt sich auf der Reise jeden Abend, jeden Morgen, jeden Tag.
Frühstück gibt es heute hinter der Veranstaltungshalle beim Supermarkt. Die Croissants sind pappig, der Kaffee schmeckt labbrig.
Kurz bevor ich abfahre, photographiere ich noch den Trabbi mit Wohnwagen und denke zurück an unbeschwerte Kindertage mit meinen Eltern auf Campingplätzen in vielen Ländern Europas.



Wesel lasse ich links liegen und erfreu mich am rechten Ufer der Lippe des schönen Lipperlands und der Römerroute, der ich, Dank der guten Ausschilderung, blind folge. Asphalt, Wald und Trampelpfade wechseln sich ab und geben immer wieder den Blick auf grasende Kühe in sattgrünen Uferlandschaften frei. Kurzweile entsteht im Plaudern mit einem niederländischen Ehepaar, das auf dem Weg nach Prag ist. Die beiden haben den BikeLine-Führer der Römer fest im Blick, ich fahre irgendwie anders, will zum Kanal und freu mich über einen Rennradfahrer, der mich fragt: „Kann ich dir helfen?“ cool Ich war so verdattert, als ich aufschaue, denn ER hat angehalten. „Unglaublich und das von einem Rennradfahrer“ antworte ich. Wir lachen beide, er hat geholfen und ich finde den Weg mal wieder zwischen der Lippe und dem Kanal. Irgendwie stimmt diesmal die Karte nicht und ob der Track hinter Dorsten so stimmt, möchte ich heute auch nicht mehr beschwören.

Haltern hat eine Radpromenade, die einmal um den Innenstadtkern führt. Mich führt mein Spürsinn auf die Ostseite des Sees, denke aber, ich sei auf der Westseite. wirr Trotzdem genieße ich meine Tour und hab richtig Freude mit einem Rollstuhlfahrer, der mich mit einem Rollstuhlzuggerät zum Campingplatz Stockwieser Damm begleitet. Mit 17 bis 20 km/h gibt er richtig Gas. Das Teil sah selbstgestrickt aus, doch leider hatte ich überhaupt keine Gelegenheit, ein Photo zu machen. Schade, aber der Mann ist wohl sehr bekannt in der Gegend.
Der Abend klingt aus mit einem Spaziergang am See und einem wohlschmeckenden Schnitzel mit vielen Motorradfahrern hier im LAKESIDE INN






der dritte Tag, „Bauer sucht Frau“ grins
Haltern - Greven/Gimbte 74 km, 68 hm, Sonnenschein

Mit einer herrlichen Waldpassage nördlich des Hullerner Sees beginnt der Tag. Der Weg führt weiter über Feldwege und kleine Nebenstraßen nach Senden zum Dortmund-Ems-Kanal. Ich bin jetzt ganz sicher, in dieser Gegend muss die Serie „Bauer sucht Frau“ entstanden sein.
Die Münsterländer mögen mir verzeihen. Sicher haben sie genug Freunde in dieser Einöde omm beim Feldmann.



Nun gut, die Spaghetti Olio im „Zentrum“ von Senden sind al dente und geben mir genug Durchhaltevermögen für die Rumpelstrecke entlang des Kanals auf der rechten Seite. Hier wird wohl gerade gebaut (bis zur Autobahnbrücke der A1). Der weitere Weg nach Münster entschädigt mich dann doch ein wenig. Erwähnenswert scheint mir insbesondere der innerstädtische Weg am Kanal, wo der Erotikfaktor dank der Studentinnen doch um ein vielfaches höher einzustufen ist, als am linken Niederrhein.
Der Tag endet in Gimbte, einem Dorf mit schätzungsweise 100 Einwohnern, aber dank Bett&Bike und Ems-Radweg gibt es 3 Hotels und zig Gästebetten. Ich schlaf nach einer ordentlichen Portion junger Bohnen im Gästehaus bzw. Standesamt vom Hotel Schraeder und träume vom jungen Gemüse. träller


der vierte Tag, Emsland träller100 Schlösser und der Canale Grande
Greven/Gimbte - Bramsche 82 km, 124 hm, Sonnenschein und Wolkenbruch

Ich entscheide mich gegen den Teuto, gegen die Berge und gegen die Fahrt über Osnabrück. Das war gut so, denn meine Beine sind nicht so prima, dass ich da so einfach hochkäme. So dachte ich. Heute, nach der Tour, ist das natürlich gaaaaanz anders, überlege gerade, wie „iassu“ den Gotthard hochzufahren.
Nach dem reichhaltigen Frühstück in Gimbte fragt mich doch Frau Wirtin, ob ich noch ein „Kettenöl“ möchte. Ja, antwortet sie auf mein doofes Grinsen, so würden sie immer die Radler verabschieden. Zum Frühstück Korn? Ich glaube es nicht. Scheinbar stimmt ja der Abschnitt über die „Kultur“ und das Saufen im oben verlinkten Artikel doch! bier
Ein paar Kilometer weiter, kurz vor dem Emsbrückle in der Pentruper Mersch direkt am Ems-Radweg hätte ich doch einen vertragen können. Hier steht ein nutzloser 15 Meter hoher Schornstein auf dem Acker, den der Künstler in sehr passender Weise „funktionslose Ziegelbaukörper“ nennt. Dieser ist der sechste von 9 Schornsteinen. Vielleicht kommen, von den Kommunen hochbezahlte Künstler, ja bald mal auf die Idee, Radwege anzumalen.





Am Schloss Surenburg finde ich zurück auf die 100-Schlösser Route, aber leider hat das Restaurant geschlossen. Die planen wohl noch länger hier im schönen Tecklenburger Land. Ab Steinbeck folge ich dem Canal-Grande linksseitig, bis mich vor Bramsche der Wolkenbruch erwischt, der kurze Zeit später Bremen verwüstet. Der Radweg entlang des Kanals ist übrigens auf leichtem Schotter prima zu befahren.
Bramsche hat zumindest einen Berg. Hier finde ich im Regenguss nach der Bergankunft (Tacho sagt: geschobene 14%) peinlich ein wahrhaft ordentliches Quartier, in dem Frau Wirtin am Abend für 4 Gäste Gulasch, Rotkohl und Kartoffeln kocht. Wirklich einen Besuch wert ist dieser Waldgasthof Renzenbrink
Am Abend verabrede ich mich mit einem Kollegen aus dem Forum, der mich doch tatsächlich am nächsten Morgen um 8:30 Uhr abholen und bis zum Dümmer See begleiten will. Ich freu mich und kann’s kaum glauben, denn wenn ich lese, worüber sich die Leute im Internet prügeln, kann ich oft nur den Kopf schütteln.
Dabei sieht die Welt vom Sattel doch sowieso ganz anders aus. ommommomm


der fünfte Tag, ein langer und sehr lehrreicher Tag
Bramsche - Liebenau 114 km, 68 hm, Sonnenschein & Rückenwind

Es klappt tatsächlich, zuverlässige und echt lebendige Radfahrer treffen sich beim Frühstück und quatschen mit Frau Wirtin über die Geschichte des Gasthofes und die Schwierigkeiten bei der Ausbildung behinderter Jugendlicher. Könnten die Kommunen nicht dafür unser Geld besser investieren, das sie sonst zum Anstrich bunt bemalter Brücken ausgeben? böse

Ralf gibt mit seinem GPS die Richtung vor. Das geht schon mal schneller als mit meiner Karte, denn wir wissen ja auch, wohin wir wollen. Wir möchten zum Dümmer und bleiben am Kanal. Bei der Brücke „im Buschort“, verlassen wir den Mittelland-Kanal und fahren über Hunteburg zum See, abwechselnd über schmale Straßen und Feldwege, nach Hüde und genießen das schöne Wetter im Eiscafé. Wie erfrischend und wohltuend kann doch Gefrorenes sein, wenn man es sich zu zweit auf der Zunge zergehen lässt.
Anschließend geht’s noch zusammen bis Lembruch, von wo Ralf zurück nach Vechta fährt und ich weiter nach Osten. schmunzel

Gesperrte Landstraße mit Rückenwind, Beine die sich im Takt wiegen, die Gedanken schlagen Purzelbäume zwischen zu Hause und der Freude am Radeln auf eigenem Weg. Gedanken an die Zeit, in der ich mit meinem Vater vieles unternommen habe, tauchen auf wie aus dem Nichts. Viele Jahre, Erlebnisse und Erinnerungen fliegen winkend weiter.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten manches besprechen und klären können. Es war um einiges einfacher, als ich zunächst angenommen habe. Ich trauere über die Vergänglichkeit, ärgere mich über verpasste Gelegenheiten und bin andererseits dankbar, dass Papa alles so gut gemacht hat wie er konnte. In diesem Wissen und im inneren Frieden freue mich auf das Wiedersehen mit ihm und der Wind trocknet dabei so manche Träne auf der langen Geraden.


Hinter Wagenfeld führt der MEER-Radweg über Feld- und Wirtschaftswege, teilweise auf Betonplatten aber immer mit rechtwinkligen Kurven bis zum Steinhuder Meer. Kurz vor Ströhen verpasse ich wohl ein Schild und lande am Rande des Neustädter Moors auf Sandwegen und muss hier das erste Mal mein Rad schieben. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, doch ich schiebe es unwissenderweise beiseite, trinke in der Hitze mein letztes Wasser, komme mit Hilfe eines Bauern wieder Richtung Ströhen und folge dem MEER-Radweg bis Gösloh. Hier biege ich ab in Richtung NO mit dem Ziel Steyersberg, weil es dort einen Campingplatz geben soll.
Das Ergebnis ist eher niederschmetternd auf diesem Wohnmobilabstellplatz entsetzt und so lande ich völlig fertig nach herrlichen 114 km in Liebenau an der Weser. Eigentlich hätte ich mir an diesem Tag anlässlich dieser Rekordstrecke eine fette Herberge gönnen sollen, doch eines der wenigen freien Zimmer finde ich nur im Deutschen Haus.



Abends im Bett frag ich mich, woher all diese Betonplatten kommen über die ich gefahren bin. Mit dem Blick auf die Karte wird mir erstmalig so richtig bewusst, dass meine Tour durch viele Moorgebiete führte, die eine grausame Vergangenheit haben.
Mussten die Strafgefangenen und die Lagerinsassen der norddeutschen Konzentrationslager über diese Betonwege den Torf transportieren?
Ich weiß das nicht, weiß aber, dass ich ungute Gefühle durchaus mehr zu beachten habe. Hätte ich den hilfreichen Bauern darauf angesprochen, dann hätte er mir vielleicht eine Erklärung geben können.

Jetzt, indem ich den Bericht schreibe, entdecke ich nämlich, dass sich in Freistatt, nur 8 km nördlich meiner Route, im Wietingsmoor , die dortige Bodelschwinghsche Erziehungsanstalt befand. Einer von mehr als 92.000 „Betreuten“ hat das Kinderheim den „Moorhof zur Hölle" genannt.
Ich bekomme immer wieder Gänsehaut und fühle eine große Traurigkeit, wenn ich an die Geschichte menschenverachtender Einrichtungen und deren Grundideen denke. Vom Strafgefangenenlager zum KZ und dann weiter zum Erziehungsheim. Es ist für mich völlig unverständlich, dass viele der Konzentrationslager nach dem Krieg nicht abgerissen sondern absurderweise weiter genutzt wurden und werden.

Das KZ Esterwegen im Emsland wurde bis 2000 als Bundeswehr Depot geführt und ist jetzt Gedenkstätte der Gräueltaten in den Emslandlager
Das KZ Börgermoor wurde noch bis 1960 als Gefängnis genutzt. Hier entstand das Lied die Moorsoldaten ,das ich das erste Mal in der Version von Hannes Wader gehört habe.
Heute sind in Freistatt unter der Leitung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel Behinderten-Werkstätten und Förderschulen untergebracht, die sich „auf eine über 100 Jahre alte Geschichte stützen können.“ Die Betreibergesellschaft "Bethel im Norden" setzt dabei „auf diese festen Wurzeln“ auf und entwickelt „eine gemeinsame christliche Identität für die Zukunft.“ (so steht es in etwa auf der Homepage). Hier könnten erinnernde Worte für mehr Klarheit und wirkliche Veränderung sorgen.
In diesem Zusammenhang wünschte ich mir, dass meine katholische Grundschullehrerin einmal das Lied von Bettina Wegner gehört hätte, bevor sie den Rohrstock auf meinen Händen zerschlagen hat. Kinder

aktuell: Ich möchte, dass die Erinnerung an diese schreckliche Zeit erhalten bleibt. Das sind wir den Opfern schuldig. So kann Veränderung und Heilung geschehen.
Ich habe das hier aufgeschrieben, weil ich zu der Generation gehöre, die Fragen gestellt hat, Fragen auch an die älteren, die im Naziregime schon erwachsen waren. So habe ich gelernt, so bekam ich Antworten, so kann ich heute antworten, wenn sich Menschen für Deutschland und unsere Geschichte interessieren.
Ich bin zu klein und unbedeutend, um die Welt zu ändern, aber ich kann vielleicht dazu beitragen, dass mehr Menschen etwas genauer hinschauen, auch wenn es nur auf der nächsten Radtour durchs wunderschöne Emsland ist. schmunzel

Danke dafür.



der sechste Tag, Crashtag mit Rückenwind
Liebenau - Naturpark Südheide 88 km, 48 hm, Sonnenschein

Petrus meint es heute wieder mal gut mit mir, nachdem er sich in der Nacht so richtig ausgeweint hat. Mir ist auch zum Heulen zumute, hat der DAX doch in den letzten Tagen 1.500 Punkte eingebüßt. Hätte, ja hätte ich mein Zeugs früher verkauft, dann hätte ich mir von der Kohle mindestens einen Pétrus vom passenden Chateau kaufen können. wein
Hätte, wenn und aber, es nutzt ja alles nix, ich muss weiter, will heute Abend in der Heide eine gute Freundin besuchen. Sie hat zwar kein Schloss und keinen Grand Cru, aber einen sehr großen Bauernhof direkt an der Örtze.

Der Weg dahin führt mich zunächst mal wieder über Wiesen und Felder an einem kleinen See vorbei direkt ins Zentrum von Nienburg an der Weser. Altes Städtchen mit vielen Radfahrern auf dem Weg von Nord nach Süd, von Süd nach Nord. Nur einer, einer fährt nach Osten, dahin, wo es keine interkontinentalen Radwege mehr gibt. cool
Zunächst über Stöckse, Steimbke, Gilten nach Schwarmstedt und Essel. Der Aller-Radweg ist auf meiner Karte nicht eingezeichnet, also fahre ich auf dem begleitenden Radweg der L180 nördlich der Aller bis Winsen und verliere hier meinen Buff. traurigtraurig
Im Eiscafé? An der Tankstelle? Auf dem weiteren Weg nach Feuerschützenbostel? Ich weiß es nicht mehr und Nachforschungen bleiben ergebnislos.

Der Weg hinter Winsen führt durch dichten Wald und die Sand- und Feldwege machen nach der Landstraße mal wieder richtig Laune. Durchatmen und meditatives Radeln an Biotopen vorbei, lässt die Seele wachsen. Auf einer Lichtung im Wald finde ich mein Ziel, werde herzlich begrüßt und verbringe einen schönen Sonnenuntergang bei Freunden im Liegestuhl an der Örtze.








der siebente Tag, lustlos in der Heide
Naturpark Südheide - Amelinghausen 63 km, 73 hm, Sonnenschein und Schauer

Ist doch schön, mit Freunden zu frühstücken!

Ich bin unsicher, wohin ich heute fahren möchte und radle erstmal im Nieselregen Richtung Norden, Richtung Hamburg, trinke den ersten Cappu schon in Herrmannsburg. In Müden an der Örtze bin ich nicht nur müde, sondern auch lustlos. Es läuft nicht so richtig, die Beine machen schlapp, ich brauch mehr Zigaretten als normal. Bin ich satt? Sind es die Sorgen? Irgendwie steh ich mir heute selber im Weg. Ich sollte einen Ruhetag einlegen.
War ja auch alles ein bisschen viel in den letzten Monaten. Nun gut, in Munster mach ich an der Kaserne halt und erinnere mich an alte Geschichten von alten Kumpels, die hier in kalten Zeiten gedient haben.

Das Wort „Reisepanzer“ hat sich ja irgendwie manifestiert. Vielleicht findet mal jemand ein angenehmeres Wort für ein schweres und stabiles Reisefahrrad, auf dem man schutzlos aber friedlich die Welt erkunden kann? Ach, irgendwie hadere ich heute mit mir selbst. traurigtraurig





Ich folge der B209 auf dem begleitenden Radweg, genieße die schattenspendenden Wolken und biege an einem Gehöft rechts ab. Da geht es laut Karte Richtung Amelinghausen über die Felder. Gefällt mir besser und tut gut. Die Laune bessert sich wieder.
Auf dem Campingplatz Lopautal ist es sehr angenehm und ich schaffe es vor dem großen Regen mein Zelt aufzubauen. Das steht auf einer eigenen Parzelle direkt am Restaurant.
Es wird ein sehr, sehr kommunikativer Abend mit Holländern und Einheimischen, für die doch die Misere des heimatlichen Fußballvereins schwer zu ertragen ist. teuflisch

Das mag ich. Tagsüber finde ich meinen Rhythmus, oder finde ihn auch nicht, mache, was mir gefällt, rieche die Natur, sehe wie sich Landschaft und höre wie sich Sprache verändert. Dabei fühle ich meine Verbundenheit mit der Erde und erkenne wie wichtig es für mich ist, auf andere Menschen zuzugehen, um nicht alleine zu sein. Im Kontakt sein, da zu sein und dabei zu bleiben wird mir immer wichtiger.
In der Nacht trommelt es so richtig auf mein Zelt. Es bleibt dicht, ich bleibe wach und wetter.com sagt, dass der Regen erstmal bleibt. Na prima. Morgen früh versuche ich mal, vorwärts aus dem Zelt zu krabbeln.




der achte Tag, Rückreise
Amelinghausen – Lüneburg 33 km, 48 hm, wechselhaft

Geweckt werde ich von Vater und Sohn aus dem vereinigten Königreich. Sie sind laut beim Packen ihres Minipacks und unterhalten morgens um 7 den ganzen Zeltplatz. böse
Die Vorwärtsvariante über meinen Teppich funktioniert bestens, die Croissants sind mir heute hochwillkommen. Kaffee gibt es umsonst und bei bedecktem Himmel starte ich. Leider ist mein Telefonat mit Mama, kurz vor Salzhausen, gefühlt nicht so erfreulich, wie ich sie sonst aus unseren Gesprächen kenne. Die Belastung für sie, ohne meine Anwesenheit, scheint mir zu hoch zu sein. „Lange kannst Du nicht mehr in der Gegend rumfahren“, denke ich mir.
Haegar hat am Abend keine Zeit, das Wetter soll eher noch schlechter werden. Ich bin hin- und hergerissen.
Irgendwo in einem Bus-Haltestellen-Häuschen entschließe ich mich, die Tour hier und heute abzubrechen und nach Hause zu fahren. Mehr als weitere 2 oder 3 Tage wären sowieso nicht möglich gewesen.
Ein Telefonat mit dem ADAC beschert mir an diesem Sonntag einen Mietwagen ab Lüneburg. Den nehme ich sehr gerne.
Über die Dörfer erreiche ich die Innenstadt, trinke bei herrlichem Sonnenschein noch meinen vorerst letzten leckeren Cappu in der schönsten Stadt, die ich bisher auf dieser Reise gesehen habe und freunde mich mit dem Gedanken an, von hier den 2. Teil der Tour zu starten. schmunzel

Auf dem Weg zum Autoverleiher schließt sich der Kreis zu dem Tag, als ich in Wesel den Trabbi sah. Auf einem vergitterten Hof springt mir dieser alte cremefarbene Borgward förmlich ins Auge. Mit solch einer eleganten Isabella und einem Wohnwagen bin ich 1960 mit meinen Eltern an die Costa Brava nach Tossa de Mar gefahren.
Beschaulich war das damals. Langsam führte der Weg über die Landstraßen durch Frankreich und Spanien, sehr langsam.



Nach 4 Stunden bin ich wieder zu Hause.
Zu schnell, viel zu schnell. Als erstes muss ich natürlich Papa von der alten Isabella, meinen Erinnerungen an den Urlaub 1960 in Spanien und den Erlebnissen der Fahrradtour erzählen. Er lächelt, während sich unsere Hände halten…..


........Pause........................................................................................................Photoalbum Teil 1..................weiter zu Teil 2