Via Francigena; Neuss-Rom in kleinen Schritten. Teil IV


............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten
............................Teil IV: Lausanne . Santhia

Lausanne . Martigny

Vor mir liegt der Lac Léman im Nieselregen. Da hinten links gibt es ein Tal, aus dem sich die Rhône in den See ergießt. Ich werde morgen dorthinein fahren und schauen, ob sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. Ja doch, auch wenn es Hilfsmittel zur Überwindung der Berge gibt, ist es mein Wunsch, aus eigener Kraft oben anzukommen. Radfahrend? Schiebend? Ich weiß nicht so recht, was mich erwartet und habe arge Bedenken.
Der Große Sankt Bernhard hat noch Wintersperre.
Zurückblickend möchte ich sagen, dass ich der eigentlichen Via Francigena in Frankreich und der Schweiz nur etappenweise gefolgt bin und dies ein wenig bereue, denn Pilgergefühle mit dem Kontakt zu den anderen, die auch auf dem Weg sind, ergaben sich nur am Rande.
Ich möchte deshalb die weitere Strecke nach Rom möglichst nahe an der Via Francigena ausrichten und habe zunächst an Landkarten nur den Führer aus dem Rother Verlag dabei. "Mehr braucht es nicht," habe ich eingangs schon erwähnt. Der erste wichtige Tipp ist der Hinweis auf eine Fährverbindung von Lausanne zum Château de Chillon. lach



Neben netten Begegnungen mit anderen Radlern, die sich an der Hafenmole zum Selfie treffen, lerne ich Eddie und Alistair kennen. Ein Australier und ein Schotte laufen seit Canterbury Brian und Shirley hinterher. Zunächst hatten die noch 6 Tage Vorsprung. Jetzt sind es nur noch 3 Tage. Ich solle ihnen bitte einen lieben Gruß ausrichten.

Wow! Durch meinen Urlaub sind die beiden an mir vorbei. Es wäre klasse, sie wiederzusehen. Es wäre mir Freude und Wunsch zugleich. Der Begriff "Radio Francigena" sollte mich noch des Öfteren ein- und überholen. grins

Auf der Fahrt mit dem Schiff faszinieren mich die bewährte Technik der Schweizer Motoren von 1910, die grandiose Uferlandschaft und die unkomplizierte Verbindung von Menschen, die mit dem gleichen Ziel unterwegs sind.

Vom Château de Chillon führt die Rhône -Route zunächst über ausgeschilderte Radwege und der N1 bis Martigny. Die ersten 120 von 2130 Höhenmetern sind erledigt. grins









Auf dem Campingplatz in Martigny zeige ich meinen Pilgerausweis und muss 21,- Franken zahlen. Meine Verwunderung ist groß und schlägt ins extreme Gegenteil um, als ich erfahre, dass Pilger für den Preis ein geheiztes 6-Bett Zimmer mit allem PiPaPo bekomme. Selbst das Abendessen in der Stadt ist erschwinglich und von herausragender Qualität.

Im Aufenthaltsraum des Campings lerne ich noch Birgitta und Dieter aus Deutschland kennen. Sie sind in Lausanne gestartet und möchten nach Aosta. Am nächsten Morgen sehe ich sie nicht. Frühaufsteher starten immer gegen sechs. Das ist mir entschieden zu früh. Vorerst. lach



Der Berg ruft.........Teil I

Der erste Brunnen in Martigny ist im strahlenden Sonnenschein DIE Einladung, Kalorien zu tanken und das perfekte Frühstück mit selbstgebrautem Espresso zu genießen, bevor ich langsam die N21 in Angriff nehme. Sie ist hervorragend ausgebaut, hat einen breiten Seitenstreifen und führt ständig mit moderaten 6%-8% gen Himmel. Der Pilgerweg ist im ersten Teil ein Klettersteig oberhalb der Dranse. Für Radfahrer unmöglich.
Obwohl die N21 gut zu fahren ist, nutze ich jede Gelegenheit, die kleinen Ortsdurchfahrten mitzunehmen. Zu schön sind die am Hang gelegen kleinen Dörfer.

Auf dem Weg von Reims nach Châlons schrieb ich eingangs: „Mein Klingeln freut die beiden umso mehr, als dass ich der erste bin, den sie seit ihrem Start in Canterbury mit dem Ziel Rom treffen.“ Die Freude ist auf beiden Seiten groß, und diesmal hat Brian meinen Namen besser hinbekommen. Jorgen bravo lach







Orsières liegt im reinsten Blau des Himmels auf 887m, bietet ein Pfarrhaus mit dem äußerst liebenswürdigen Pater Klaus und lädt mich ein, zu bleiben und nun was ganz anderes zu tun. zwinker
Gestern dort und heute hier, erkunde ich das Dorf, sitze im Café National mit den Füssen fast auf der Straße, treffe Dieter und Birgitta wieder. Zusammen mit Pater Klaus bekocht uns Birgitta in der Küche der Herberge. Gemeinsam trinken wir Roten aus dem Valais. Das Essen schmeckt tausendmal besser als das in der örtlichen Dorfschänke.

Pater Klaus kommt aus dem Aostatal und gibt uns wertvolle Hinweise auf die kommende Strecke. "Selbstverständlich nimmt der Postbus auch 5 Fahrradtaschen mit nach oben." grins

Das erste Mal mit anderen Pilgern in einem Raum schlafend, befürchte ich, dass mein Schnarchen sie wecken könne. Birgitta und Dieter schlafen prima.
Morgen starte ich um sieben. weinend

Ein paar Bilder aus Orsières:









Der Berg ruft.........Teil II

Es ist kalt am frühen Morgen in Orsières und der Pass sei immer noch geschlossen, sagt der Wirt im Straßencafé. Nein, sagt der Polizist, Radfahrer kommen durch. Blödsinn meinte der aus der Touristeninformation gestern noch. Da komme keiner durch!

.......... Vor zwei Tagen sah es oben am Sankt Bernhard noch so aus: teuflisch


Danke an Roberto für dieses Bild.

Für sich selber Urlaub zu beantragen und zu genehmigen, bringt durchaus Vorteile mit sich. Vor zwei Tagen wäre oben am Pass kein Durchkommen möglich gewesen. cool
Nun gut, ich folge der Straße, die von Auto- und Motorradfahrern verschont bleibt. Dann da oben kommt eh keiner durch. So beschränkt sich der Verkehr auf diejenigen, die hier im Ortsverkehr unterwegs sind.
Im Sommer? Am Wochenende? Niemals!
Schier überwältigt vom Alpenpanorama und der Situation, mich dem hohen Berg da hinten links zu nähern und immer wieder eine andere Perspektive wahrzunehmen, bin ich glücklich. Manchmal radle ich, manchmal gehe ich zu Fuß und schiebe die 50kg den Berg hoch. Das mache ich sogar an Stellen, die nur 4% bis 5% ansteigen. Es sollte nicht das letzte Mal auf dieser Reise sein, so langsam und intensiv unterwegs zu sein.

Tagesschnitt 50Km/Tag. Warum?

Das erste Mal scheint es mir, selbst auf dem Rad zu schnell zu sein. Es gibt zu viele Eindrücke, die verarbeitet sein wollen. Der Pass gehörte in meiner Motorradzeit nicht zu meinen beliebtesten. Ich bin ihn zweimal gefahren. Es war eher eine schnelle Verbindung als ein Genuss. Viel zu simpel, wenig spektakulär. Heute gehört dieser Pass mir. Der Titel: „Neuss . Rom in kleinen Schritten.“ krabbelt erstmalig auf der schönsten Butterblumenwiese der Welt in meinen Kopf. Auf 1530m koche ich Espresso, knabber Kekse und probiere erstmalig den Selbstauslöser meiner Fuji mit Serienbildfunktion. Es ist die höchste Stelle, die ich jemals auf dem Rad erreicht habe. So langsam nimmt dieser Reisebericht hier Form an. lach

Ein paar Bilder:











Von rechts kommen Brian und Shirley. lach
In Bourg-Saint-Pierre treffe ich Birgitta und Dieter. Im Innenhof der Herberge gibt’s einiges zu lachen. lach
Alle zusammen bestellen wir im Restaurant ein 3-Gang Menü für 22,- Franken. lach

der Tag aus australischer Sicht: It's always a happy event..... lach





.......... Zwei Dinge sind hier sicher:
Frösche trinken keinen Wein und Milch kommt aus dem Hydranten. unsicher






Der Berg ruft.........Teil III

Schon wieder Sonnenschein für das Glückskind. Cappu im Bivouac Napoléon. Straßenzustandsbericht einholen.
Endspurt, Bergwertung, die Luft wird dünn……………….. bis zum See fahre ich 5 Kilometer. Danach noch einen.

Mich überholen vielleicht 5 Autos und ein Radfahrer. Mopeds? Fehlanzeige!

Es besteht die Möglichkeit in Bourg-Saint-Pierre und am See-zwischen der Galerie und dem Tunnel- den Bus durch den Tunnel zu nehmen. Aber nur der Frühbus gegen 09:00 Uhr nimmt Räder mit.

Im Prinzip ist alles geschrieben. Ein paar Bilder:

















Die letzten Kehren sind mit Gepäck und 13% unanständig steil. Meine Waden schmerzen; die Achillessehne brennt; um 13:22 Uhr habe ich es geschafft.

party party party

Da haben sich die richtigen getroffen. Fünf Menschen sitzen glücklich vor dem Hospiz. Kein einziger von uns kommt auch nur ansatzweise auf die Idee, weiter zu gehen. Nach Aosta sind’s ca. 38km. Heute? Warum?
Gemeinsam lassen wir es uns gut gehen, erkunden das Hospiz, schauen nach Italien und verbringen einen herzlichen Abend in fröhlicher Runde.
Der letzte Tag in der Schweiz aus der Sicht von Brian: Birgitte, Dieter and Jorgen having a celebratory drink. wein

..........Ein paar Bilder und ein Willi als Zugabe. Leider fehlt in meiner Ausrüstung ein Milchkännchen teuflisch









Als ich so im Bett liege und die letzten Tage Revue passieren lasse, bin ich froh, es so gemacht zu haben, wie ich es gemacht habe.
Die französischen Regentage und manch andere Überraschungen sind passé. Morgen geht’s nach Italien. Buena Notte.


Der Berg ruft.........abwärts!

Das Frühstück ist im SuperDuperHalbpensonsPilgerpreis enthalten. Den Stempel gab’s gestern schon gratis dazu. Vor mir liegt ein Schneefeld, das den gesamten motorisierten Verkehr stoppt und für Radfahrer ein unvergessliches Erlebnis bietet. Neben der Schneefräse wirkt mein Patria zwar mickrig, hat dafür aber andere Qualitäten.

Alleine traue ich mich nicht. Ich könnte im Schnee einsinken. So gehen Birgitta und Dieter mit mir gemeinsam über die schneebedeckte Grenze.

Es gibt die letzten Erinnerungsphotos. Meine Nase schnäuze ich wehmütig erst außer Sichtweite. Bye, bye. traurig weinend







..........1713 Abwärtsmeter in einem Rutsch fast ohne Gegenverkehr.
Ein Traum wird wahr. Bevor ich mich ins Tal stürze, riskiere ich einen letzten Blick zurück. Wahnsinn!



Doch, an der ersten Kehre schon, ziehe ich beide Bremshebel gleichzeitig, steige ab und lausche der Stille.
Kein Auto, kein Motorradfahrer, kein Radfahrer. Niemand. Ruhe. Ruhe? Nicht ganz.
Ein paar Murmeltiere liegen in der Sonne, fiepen um die Wette und aalen sich auf dem warmen Asphalt.
Da darf der Radler wirklich nicht stören und geht zu Fuß den schönen Pass hinunter. teuflisch









Naja, der Radler läuft nicht ganz bis Aosta. Das wäre ja noch schöner!

Immer wieder geht der Blick rätselnd nach oben? Wo mögen die anderen sein? Ich sehe sie nicht wieder und bleibe in Gedanken bei Ihnen.
Birgitta und Dieter werden bis Aosta laufen und der Francigena im nächsten Jahr weiter folgen.
Brian und Shirley laufen durch bis Rom. Sie ertragen unvorstellbare Hitze. Als ich über ihre Ankunft in ihrem Blog lese, muss ich mir schon wieder die Nase schnäuzen. bravo bravo bravo

Ich danke euch ganz herzlich für die gemeinsame Zeit.

Im Aostatal

Mein linkes Knie tut erstmalig nach der OP wieder weh und die Achillessehne funkt Signale. Die ungewohnte Bewegung von gestern fordert ihren Tribut. Mit viel Voltaren in der Socke rolle ich gemütlich hunderte von Höhenmetern abwärts und staune über Hinweisschilder auf die Francigena, die alle Nase lang aufgestellt sind. Über Saint Rhemy erreiche ich Etroubles und stelle später fest, dass das Albergo la Clusaz an der SS27 noch im Winterschlaf liegt. Schade!

Der weitere Weg ist wunderbar. Es rollt sich von alleine bis zur Herberge in Aosta, die leider belegt ist.
Eine Schwester telefoniert für mich und findet ein preiswertes Zimmer im Hotel Al Caminetto. Glück gehabt.







.......... der Berg da hinten ist der, um den ich halb herumgefahren bin. Es ist das Bergmassiv des Grand Combin. Radreisen bildet lach



Aosta ist ein Straßendorf voller Leben, Eiscafés, verwinkelter Gassen und, ja wie sollte es auch anders sein, mit hervorragender Küche. wein

ein paar Bilder:








So muss ich am nächsten Morgen noch einmal dort vorbei, wo ich am Abend Tagliatelle mit Speck und Käse aus der Region vertilgt hatte.
Es waren die besten Tagliatelle ever. Im Restaurant werden übrigens die Produkte verwendet, die man im Laden kaufen kann. Ein Geheimtipp. wein





Am Ende der Fußgängerzone, quasi hinter der Stadtmauer am ersten Kreisverkehr, treffen sich in jeder Stadt in ganz Italien am Morgen alle. Immer.
Der Stopp an der ersten Bar für alle, sollte Ritual auf meiner weiteren Tour durch Italien werden. Zwei gefüllte Croissant, vier Café, 6,- Euro. So soll es sein. lach

Während sich die Francigena links durch die Hügel schlängelt, bleibe ich im Tal auf der SS26, die sich trotz heftigen Gegenwindes gut fahren lässt und beende in Verrès, im Pilgerhauptquartier, den Tag. Ein Einzelzimmer zu bekommen, habe ich nur meiner Sturheit zu verdanken. "Dann fahr ich ebend weiter!" Eigentlich waren die Zimmer für eine große Wandergruppe reserviert. Jetzt müssen andere zusammenrücken. Wir Pilger sitzen an einem Tisch. Pierre und sein Bruder begleiten mich durch die Teller. Das Gelati al Lemon sollte allerdings noch besser werden. grins







Verrès . Santhia

So langsam endet das Aostatal. Aber bevor es soweit ist, fordert mich der Weg bei der Sperrfestung von Bard noch einmal kräftig heraus. Ich verlasse die Landstraße, um durch den alten Ortskern, hier werden die Besonderheiten eines jeden Hauses auf einer Tafel separat beschrieben, zu einem Stück alter Römerstraße zu gelangen. An ihrem Ende, im Torbogen von Donnas, gibt sie den Blick auf die beginnende Poebene bei Port-Saint-Martin frei. Der Weg ist allerdings wegen Abrutschgefahr gesperrt. Ich gewinne 200hm extrasteil.
Der Blick ist fantastisch.











Hinter Port-Saint-Martin beginnt das Piemont. Ich ahne den Duft von Trüffel, Risotto und Maronen. Gute Weine soll es hier auch geben. wein
Der Hinweis auf das süße Leben darf natürlich nicht fehlen. zwinker







.......... zur Mittagszeit in Ivrea bekomme ich einen Eindruck neuester italienischer Mode. Radfahrerland lach



Nach 63km mit maximal 17% aufwärts und 22% abwärts suche ich die Herberge in Santhia. Von 8 Betten ist noch eins frei. An der Wand hängt ein Schild: B&B 18,- Euro.
Ich bin untröstlich. Die Visitenkarte ist weg. Wenn ich sie finde, bitte ich die Moderation, einen Link einzufügen.
Warum?
Weil der Blick von der Dachterrasse im 5. Stock einmalig ist. Weil die supernette Gastgeberin die Wäsche wäscht und ein Frühstück serviert, das ich so noch nicht erlebt habe. Sensationell.
Der Ort der Gastlichkeit ist hier: Klickmich



Bevor ich mich im nächsten Beitrag der Poebene widme, möchte ich vom Abend noch etwas erzählen. lach

Gegen 18:00 Uhr wird ein Fahrradkorso der besonderen Art erwartet. E-Bikes wollen sich hier treffen und gemeinsam nach Mailand radeln. Von dort starten sie zu einer Tour in die Türkei und zurück. Strom? Nein, Strom aus der Dose brauchen sie nicht. Sie sind autark.
Das Schauspiel schaue ich mir genauer an: party

.......... meine Gastgeberin im weißen Outfit schmunzel













Wer mehr über dieses Spektakel wissen möchte, kann sich hier informieren: Milan . Antalya . Milan teuflisch

Beim Pilgermenu sitzen ein Ehepaar aus Chateauneuf de Pape, eine Berlinerin und ich zusammen. Sie heißt Aylin und fragt mich: "Kennst Du Roberto? Hast Du ihn getroffen?"
"Roberto? Nein. Roberto kenne ich nicht."
"Radio Francigena!" Da war doch was? lach

.......... Die Verabschiedung am Morgen ist genauso freundlich, wie der ganze Aufenthalt. Die Temperatur klettert auf 35°.





Via Francigena; Neuss-Rom in kleinen Schritten. Teil V


............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten
............................Teil V: Santhia . Pietrasanta


Vor mir liegen die Poebene und der Apennin. Rom schwirrt mir zwar immer und jeden Tag im Kopf herum, doch bis dahin sind es noch ca. 900km, die der Rother Wanderführer in 38 Etappen aufteilt. Wenn, sagen wir mal, mir jeden Tag zwei Wanderetappen mit dem Rad gelingen, müsste Rom in 19 Tagen zu erreichen sein.
900km:19 Tage= 47,37km/Tag. Passt!

Ankunft 21. Juni?
Am 23. Mai trat Gianna Nanini in der Nähe von Bologna auf. Am Gardasee war sie einen Tag später. Da war ich noch in Freiburg. Urlaubsbedingt. War auch schön! grins

Nach Genua mit dem Zug? Das wäre eine Wiederholung wert. 6. Juni teuflisch


Santhia . Pavia

Die Poebene ist wirklich platt. Da ist aber auch nichts. Nur Reis. Kilometerweit nur Reis. Grün. Balis Grün? Nicht ganz, da gibt es kein Risotto. lach
22er Schnitt. Ich fahr stur geradeaus, denke an nichts Böses, da erscheinen plötzlich Ufos im Rückspiegel, werden immer größer und größer, fliegen nur so an mir vorbei. Lachend und winkend. Mannomann! Was sind die Aliens auf der Geraden schnell unterwegs. Doch auch Aliens brauchen Wasser. Wir treffen uns an einem kühlenden Brunnen. Später begegnen wir uns noch einmal beim Decathlon in Vercelli. Wahrscheinlich haben sie heimlich Batterien gekauft. grins







In Vercelli wird heute gefeiert. Der König hat vor 69 Jahren abgedankt.
Da die Frecce Tricolori anderweitig beschäftigt sind, klettern Feuerwehrleute aufs Dach und zünden Bengalos.
Grün-Weiß-Rot. Viva Italia! Viva super Mario grins party

Mir gefällt der Patriotismus der Italiener, ihre Begeisterung beim Autokorso und und und...





Am frühen Nachmittag führt mich der Weg nach Mortara-Saint'Albino ins Kloster. Es herrscht eine lockere Stimmung zwischen 4 italienischen Radfahrern, einem Schweizer und mir. Der Pfarrer erzählt übers Kloster. Ich verstehe nichts. Die Nacht ist grausam.

Der Schweizer liest bis 23:00 Uhr bei Festbeleuchtung. Die Italiener kommen um Mitternacht aus der Kneipe zurück. Der Neusser rächt sich und schnarcht die anderen gegen vier Uhr ratternd aus ihren Liegen. Pilgerkrieg nennt man sowas. Ich verstehe Hape Kerkeling immer besser.





Hier am Kloster treffen alle Tracks von meinem Navi zusammen. Der schwarze von Pellegrino, der rote der Eurovelo 5, der blaue vom Rother Verlag und einer aus den OSM Kartenwerk. Kurz vor Pavia am Ticino treffen sie alle wieder aufeinander. Ich folge dem schwarzen Track von Pellegrino. Es ist ganz lustig, wenn man sich an Kreuzungen fragt, warum er denn jetzt da lang geradelt ist. Meistens sind wir einer Meinung. Er hatte auch keine Lust, Staubwege zu fahren. Es wird heute heiß werden.



………. schattiger Friedhof vor Gropello Cairoli



Auf dem Hochwasserdamm vor Pavia fällt mir mal wieder ein Pilger auf. Wir beten den Rosenkranz. "Woher? Wohin? Wie heißt Du?"
Roberto. Radio Francigena! Jürgen. "Schöne Grüße von Aylin." lach

Irgendwie verpeilt Roberto meinen Hinweis auf eine Osteria am Ticino und findet eine andere. So muss mir das supersensationelle Risotto in der Osteria Mal Tra Insema alleine schmecken. 38° im Schatten. weinend





Die Lust auf eine Herberge ist mir vergangen. Ein kleines Zimmer reicht für zwei Nächte. Es ist preiswert und das Zentrum liegt direkt vor der Tür.
Wenn mich jetzt jemand fragt, warum mein Zelt immer noch am Rad hängt, muss ich passen. Die Frage stellt sich mir auch schon länger. unsicher

Beim Bummel durch die Stadt fallen mir jede Menge Radfahrer und Schuhgeschäfte auf. Mehr als sonst!

In einer kleinen Pizzeria sitzt Roberto. Er kommt aus einem kleinen Dorf bei Lausanne und ist recht flott unterwegs. Es sind noch 750km bis Rom.
Wir können uns ganz gut leiden. Er geht morgen weiter. Mir ist nach einen Tag Pause. Buen Camino! lach

Ein paar Bilder aus Pavia:









………. der örtliche Fußballclub feiert seinen Klassenerhalt. Was mag hier los sein, sollte Italien mal wieder einen internationalen Titel gewinnen? teuflisch






Pavia . Piacenza . Fiorenzuola d’Arda.

Es war nicht zum Aushalten. Die Hitzeglocke stand gestern den ganzen Tag über Pavia. Heute soll es nochmals wärmer werden.

Um 10:00 Uhr stehen 40km auf der Uhr. Die SS234 versinkt geradeaus im flimmernden Horizont. Rechter Hand liegt Orio Litto. Dort soll es eine prima Herberge geben. Ein Stück weiter führt eine Fähre über den Po. Den Fährmann muss man anrufen.
Die Herberge ist am frühen Vormittag menschenleer, das Weinregal zum Bersten voll und zum Telefonieren ist es mir zu heiß.



………. Pilgertrank? wein



Die Lust auf Piacenza zieht mich weiter, obwohl im Rother steht, dass es auf den nächsten 20km auf dem Hochwasserdamm keine Möglichkeit mehr gibt, an Wasser zu kommen. Nur beim Fahren ist es einigermaßen erträglich. Stehend in der Sonne, nichts als schwüle Luft um mich herum, gebe ich den Löffel ab, denke im 5km Rhythmus und teile mir das Wasser entsprechend auf. Irgendwann kommt doch noch eine Überraschung. Das Centro Nautico Somaglia liegt direkt am Po, bietet eiskaltes Brunnenwasser, Schatten, Cola und Eistee. Es dauert eine Stunde, um mich zu erholen. Es macht auch keinen Sinn, hier länger zu bleiben oder gar bis zum Abend auf Abkühlung zu warten. Die Luft steht still, während ich langsam nach Piazenca trete.





Der Mühe Lohn findet sich im 6. Stock eines Geschäftshauses. Die Basilika Di San Francesco ist zum Greifen nah, der Ventilator läuft die ganze Nacht.
Heute hat es für drei Wanderetappen gereicht. lach

Die Piazza Cavalli mit ihren Reiterstandbildern ist schon sehr schön. Doch viel schöner sind die Hinterhöfe des Rathauses. Warum haben so viele Kollegen eigentlich nichts, aber auch gar nichts, von den Stadtplanern früherer Zeiten gelernt. Nun gut, damals gab es keine Autos! grins



………. meine Terrasse im 6. Stock lach





Seit Aosta bleibt es für mich ein Rätsel, was die Italiener am späten Nachmittag in den Bars immer zu sich nehmen. Oliven, Käse, Salami, Erdnüsse und Chips stehen gegen 17:00 Uhr überall auf den Tischen. Manchmal trinken sie Wein, manchmal ein mit ungekanntes Kaltgetränk dazu.
Da die italienische Sprache für mich nur aus Fremdwörtern besteht, bestelle ich beim Kellner „sowas, was die da drüben haben.“ Tutti Aperitivo klingt wie Musik in meinen Ohren. Nein, es gibt kein Reimser Fiasko. Es gibt Spritz. Eine Mischung aus Aperol mit Prosecco. Schmeckt mir gut!

Für mich gibt es ab heute eine neue Tageszeit.wein
Davon später mehr.



Zum Tagesstart habe ich mir angewöhnt, ein Photo zu machen, das mein Rad direkt vor der Herberge zeigt. An diesem Morgen steht es vor dem Café, in dem ich mein Frühstück bekomme. Es war im Übernachtungspreis inclusive. Auch hier zeigen sich die Italiener überaus großzügig. Statt einem Kaffee gibt es zwei doppelte. Manchmal drei.

Ging es gestern zunächst 35km stur geradeaus nach Osten, gibt’s heute 25km Strecke stur geradeaus nach Südosten. Die Poebene ist wirklich abwechslungsreich und bietet immer neue Perspektiven auf die brennende Sonne in der Emilia-Romagna.

Kurz hinter Piazenca orientiert sich ein Pilger nach dem richtigen Weg. Mein Ruf zerreißt die Stille des Morgens: "Roberto!" Er ruft genauso laut zurück: "Jürgen!" Mann, ist das schön. lach
Wir tauschen unsere Telefonnummern aus und verabreden uns zum Aperitivo in Fiorenzuola d’Arda und zum Champions League Finale ohne Bayern München in Berlin.
Photos von der Strecke? Braucht es nicht! Es sieht so aus wie gestern, vorgestern und morgen. grins

Am Nachmittag sind wir Zeuge einer Hochzeit, teilen unsere Heldengeschichten und gehen in das Hotel, in dem sich Freunde von Roberto aufhalten. Franzosen, Frankokanadier sowie Franko-Schweizer trinken Spritz. Der Neusser verlässt die Runde und lässt die anderen in ihrem Kauderwelsch alleine. „Ciao Roberto!“ grins



………. die Hochzeitskirche von innen



………. die Hochzeitskirche von außen



………. die Hochzeitskutsche von außen



………. die Hochzeitskutsche von innen



………. ein Außenaschenbecher von innen



Mit dem Aschenbecher komme ich zum Abschluss des Tages. Nach 20:00 Uhr stehen gedeckte Tische mitten auf der Straße. Es gibt für 24,- Euro Omelette mit grünem Spargel, Risoto de Aspargos, Käse, Wasser, Kaffee und wein .
Die Idee, morgen über Fidenza nach Parma zu radeln, scheint nicht klug zu sein. Meine Nase ist von der Poebene bei 40° gestrichen voll. Ich werde in Fidenza direkt zum Passo della Cisa abbiegen, um der Francigena zu folgen.

Vielleicht wird’s ja abkühlen? Buona Notte!




Fiorenzuola d’Arda . Fidenza . Fornovo Di Taro . Berceto

Frohen Mutes beginnt der Tag, die Augen wandern nach links und rechts, doch Roberto ist nirgends zu sehen. Schade. traurig
Es sind noch 630km bis Rom =>30 Wanderetappen => 15 Tage => Petersdom: 22. Juni! Andiamo! dafür

Es ist wie es ist. Gegen Mittag wird mir vieles zu viel. Ich muss mich damit arrangieren, bin ja keine 30 mehr, habe in meinem Leben wenig Sport getrieben und kann mir die Qualmerei einfach nicht abgewöhnen. Dass mich dennoch diese Torturen nicht völlig fertig machen und mir sogar Freude und Erfüllung bereiten, macht mich einerseits zufrieden, andererseits würde ich schon gerne mehr auf die Beine stellen. Manchmal schaue ich mir Reiseberichte hier im Forum etwas neidvoll an und fühle dabei einen gehörigen Respekt vor denen, die mit 70 noch Strecken schaffen, an die ich nicht mal während meiner manischen Zeiten denke.
Die glänzende Seite der Medaille zeigt mir aber auch deutlich, dass ich mich nicht verstecken muss. Noch regt sich in mir ein lebendiges und lernfähiges Inneres. Andere sind doch mit 60 schon so alt und taub, dass sie ihre größte Erfüllung im Buchen von Kreuzfahrten auf den Weltmeeren finden. Da scheint ja schon das Ankleiden zum Dinner eine sportliche Höchstleistung zu sein.

Während mir das so durch den Kopf geht, rauscht in den leicht ansteigenden Hügeln vor dem Apennin schon wieder ein Ufo an mir vorbei. Ein Doppelsitzer-Ufo mit Sonnendach und zwei winkenden Jungspunden lässt mich alt aussehen. Wahrscheinlich waren es die hier auf dem Hase Pino Allround?

Um 12:00 Uhr, es hat 39°, kann ich nicht mehr. 5 Stunden dauerten die 44km mit Pausen. Was heißt Siesta auf Italienisch?
Nach einem kleinen Imbiss beschert mir die Kühle des Zimmers 4 Stunden Schlaf am Stück. Das ist Erholung genug, um mich anschließend auf die Suche nach den Schönheiten in Fornovo Di Taro zu machen.

Ein paar Bilder:

………. Fahrradweg in Fidenza



………. Fahrradweg über den Taro



………. Hinweise darauf, woher ich komme und wohin ich möchte



………. in der Kirche bekomme ich meinen Stempel



………. vor der Kirche bekomme ich ein kühles Blondes



Quäldich.de
"Kann man als Radfahrer den Apennin auf einer Hauptroute, beispielsweise zwischen La Spezia und Parma, überqueren, ohne in Lärm, Abgas und Gestank zu ersticken oder von Horden wilder Automobilisten oder Motorradfahrern in den Graben gefahren zu werden"?

Es geht! Es geht sogar sehr gut. Die Temperaturen steigen von 22° um 07:00 Uhr auf moderate 35° am Nachmittag. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,08km/h überwinde ich 900hm am Stück, quatsche Pilgerlatein mit Schwaben aus Tübingen, tanke in Cassio Kalorien und entscheide mich dazu, in Berceto den Tag zu beenden.


………. mit so einem kleinen roten Renner macht das hier bestimmt auch viel Spaß. bäh grins



………. doch pausiert man dann an jeder zweiten Kehre?



………. um die Wiesen zu fühlen,



………. oder den Ginster zu riechen?



………. Aus eigener Kraft hier oben zu stehen, kann so schön sein!



………. Nein, ich würde die Francigena nicht mit einem Ferrari machen wollen. Es gibt bessere Alternativen. dafür



Die beiden kommen aus Grenoble und sind irgendwo am Mont Cenis über die Alpen nach Turin gelangt. Sie schlafen immer im Wald bei ihren Herrschaften. Ihre Geschichte erzählen sie mir und zwei Schweizern an der Fonte Romea beim Aperitivo. Wann auch sonst? grins

Berceto ist ein wunderbares Örtchen, das etwas unterhalb der SS62 liegt. Weiterhin gibt es eine Trattoria, in der Mama Vittorina kocht, serviert und einem das Gefühl gibt: "Fühl dich bitte wie zuhause." bravo
Das macht sie alles und noch viel mehr, während Papa Francesco im Fernsehsessel italienische Soaps schaut. Hier ist der Gastraum wirklich das Wohnzimmer der Familie.
Achso: Tagliatelle con Funghi, Cottolette, Wein, Wasser, Kaffee und Kuchen: 20,- lach





………. das Wohnzimmer von außen. Ein "must have Klick" für den nächsten Wegpunkt wein




Berceto . Passo della Cisa . Sarzana . Pietrasanta

Bis zum Passo della Cisa sind auf den nächsten 9km noch 200hm zu bewältigen. Das geht mir relativ locker in 90 Minuten vom Sattel. Oben begegnen mir die beiden Pilger mit ihren Pferden wieder.
Wann habe ich das letzte Mal im Zelt geschlafen? Mein Wunsch, am Meer zu zelten, überholt mich auf der rasenden Fahrt ins Tal.
Autos? Fehlanzeige! Die Straße gehört mir alleine!

………. Berceto am Morgen



………. Berceto von oben



………. Ostello Cisa an der SS62



………. Gipfelphoto



………. noch ein Gipfelphoto



………. erstes toskanisches Hinterdemgipfelphoto



………. zweites toskanisches Hinterdemgipfelphoto



………. erstes toskanisches Wiederimtalphoto mit dem Radweg in Pontremoli grins



Durch die historische Altstadt von Pontremoli schiebe ich mein Rad und atme erstmalig Mittelmeerluft. Wir haben 10:30 Uhr. Das ist selbst für mich zu früh, um den Tag zu beenden.
Die SS62 wird voller. In der Nähe gibt es eine Autobahnausfahrt und dazu gesellen sich zwei weitere Landstraßen. Kurz hinter der Stadt führt mich die schmale SP31, auf der auch die Eurovelo 5 ausgeschildert ist, ruhig weiter.

Ganz in der Nähe gibt es ein wunderbares Dorf, das komplett zu einem Hotel umgebaut wurde. Dort wurde mir als Motorradfahrer das Vergnügen zuteil, privilegiert zu nächtigen. Wer also Lust verspürt, sich dort luxuriös mit Speis und Trank vom Feinsten verwöhnen zu lassen und im Pool zu kraulen, ist hier sicher immer noch herzlichst willkommen. Leider gibt es keine Pilger- und keine Einzelzimmerpreise im Costa d'Orsola.

Hätte ich natürlich weniger Kohle ausgegeben, nur Tütensuppen gekocht und mehr im Zelt geschlafen, ja dann............ lach

Bis Villafranca In Lunigiana bleibe ich auf der SP31. Das, was jetzt folgt, ist reines Überlebenstraining. teuflisch







Schrieb ich Überlebenstraining? Im Nachhinein erscheint mir das Radeln auf der SS62 eher als vertrauensbildende Maßnahme. Ja, die Italiener wissen sehr genau, wie breit ihre Autos sind. Sie wissen es auf den Millimeter genau. Immer! grins

In Aulla bietet die Herberge nur Schlafsäle. Ich lerne weiterhin zu vertrauen und beende den Tag in Sarzana. Nur zur Info: Selbst die Eurovelo5 geht von Aulla bis hier über die SS62.



Sarzana ist klasse. Die erste Unterkunft macht einen völlig verrotteten Eindruck. Die zweite Unterkunft ist belegt und die dritte ist mir zu teuer.
Irgendwann einmal vor langer Zeit bezahlte ich ein sehr teures Verhandlungsseminar. Heute wird geerntet, was ich einst gesät. Das Rad trage ich in den zweiten Stock in eine 3-Raum-Wohnung. 30,- Euro! lach

Wie war das mit der neuen Tageszeit?
Sie wird von mir auf den Namen "pre Aperitivo" getauft wein
Es ist die Zeit nach der Ankunft im Quartier, die ich gerne für einen Stadtbummel und zur Orientierung nutze.

So sitze ich im "Dolce Vita" auf der Via Giuseppe Mazzini, schau auf die Porta Romana und freu mich, heute 3 Etappen geschafft zu haben. Dumm ist nur, dass der Wanderweg ein vielfaches mehr an Natur zu bieten hat.







Vor dem Dolce Vita notiere ich erstmalig, was mein italienisches Frühstück so beinhaltet:
Un Croissant, un Croissant con Cioccolato, due bicchieri grande Latte freddo, un Cappucino, due Cafe Doppio. Immer wichtiger wird mir die kalte Milch. Das ändert sich bis Rom kaum.
Die Bitte: "Può portarci un portacenere, per favore." gehört natürlich zur Bestellung dazu. bäh

Das Meer ruft. In Massa habe ich auf der SS62 genug Vertrauen gesammelt und bin begeistert, was es hier auf den Märkten alles zu kaufen gibt. Der Weg führt im Zick-Zack durch dutzende Campingplätze.
„Mama, wann sind wir endlich da? Wie weit ist es noch bis zum Strand?“ teuflisch





………. gefahrene Kilometer seit Lausanne



Kennst Du das Gefühl, wenn Du dir nichts sehnlicher wünschst, als ne Rohloff unterm Weihnachtsbaum auszupacken und sich hinter den Schleifen ne japanische Schaltung versteckt? dagegen
Dieser Alptraum ist wohl mit nichts zu überbieten.
Doch 100 Meter weiter wirst Du an der Strandautobahn eines besseren belehrt. weinend







Doch Glück findet sich auch im Unglück, denn die Saison hat noch nicht begonnen.
Trotzdem: Vorbei der Traum, am Strand einen Campingplatz zu finden; vorbei der Traum, am Strand zu liegen; vorbei der Traum, hier überhaupt ein nettes Plätzchen zu finden; vorbei der Traum, am Strand bis nach Viareggio zu radeln............Das wäre wirklich das letzte, was mir jetzt noch fehlt. Im Rother steht ergänzend, dass die Herberge in Marina die Masse 160 Betten hat. Na wunderbar. Weg hier, aber schnell.

Erst 8 Kilometer weiter kann ich mich etwas beruhigen. Auf der Seebrücke von Forte dei Marmi, Edmund Stoiber ist hier Ehrenbürger, fallen mir die fliegenden Händler auf, die scheinbar den gesamten Strand unter sich aufgeteilt haben. Einige Tage später bestätigt mir das ein Nigerianer, der seit 10 Jahren hier lebt.
Vom Strand führt eine wunderschöne Allee nach Pietrasanta. Besseres hätte mir nicht begegnen können.






Pietrasanta ist ab heute meine Lieblingsstadt. dafür

Im Hotelzimmer schmeißt mich das Bett rücklings auf den Boden. Dieses Felbett ist sowas von bescheiden, dass ich die Matratze auf den Boden lege, um überhaupt gerade liegen zu können. Eine weitere Entscheidung fällt mir nach dem Duschen leicht.
Zelt, Schlafsack, Kocher, Espressokanne, Isomatte, lange Hose, Pullover, 2 Radtaschen und ne Sturmhaube fliegen oder rollen im Karton nach Hause. Mit Karton sind das 9980 Gramm. Kosten mit Karton 40,- Euro.



………. In Schwaben reden sie alle vom heiligen Blech. In Pietrasanta ist der Stein heilig, auch wenn der erste Eindruck täuscht.







Was kann ich mich doch an so viel greifbarer Kunst erfreuen und hellauf begeistern. Dazu kommt, dass hier in Pietrasanta viele Kunst- und Architekturstudenten und Studentinnen an ihrer Staffelei stehend und sitzend Aquarelle malen. Sie zu beobachten, wie sie den Pinsel vors Auge halten, um die Perspektive der Architektur zu prüfen, um diese anschließend akribisch aufs Papier zu übertragen, ist einfach ergreifend. Man spürt förmlich ihre Begeisterung, wenn sie ein Auge zukneifen, den Mund verziehen und den Kopf neigen, um das Ergebnis lächelnd zu prüfen. bravo



Wenn ich es richtig verstanden habe, werden die Skulpturen jeden Monat getauscht, um anderen Platz zu machen. Wenn es nach mir ginge, könnte ich hier jeden Monat einrollen. lach
Der Überhammer kommt aber noch.

Um eine Kerze anzuzünden, gehe ich in die Kirche, schalte mein Handy aus, öffne die Tür und sehe dann sowas: dafür



Was für eine eindrückliche Erfahrung! Sie lässt mich sprachlos stehen.

Fernando Botero lebt in Pietrasanta. Hier ist ein Museum. Ich möchte noch einen Link mit einem Interview Boteros einfügen: Klick drauf

Jetzt möchte ich mich von diesem Teil des Berichtes mit einem Photo verabschieden, das mich mahnt, heute nicht zu viel zu essen. lach



Bei Nonna Lory gibt’s heute Gnocchi mit Nachschlag und Scaloppina Limone. Pilgermenu 20,- Euro. Nachtisch? Ist mir beim Wein entfallen. grins

Nicht dass jemand den Text falsch versteht. Bei Nonna Lory gab es nur etwas zu essen, denn sie hatte kein Zimmer frei. Das beschissene Bett stand woanders.

Damit bin ich in der Toskana angekommen. Bis zur Grenze ins Latium ist es nicht mehr weit, doch es wird sehr, sehr hügelig……………………………



Via Francigena; Neuss-Rom in kleinen Schritten. Teil VI

............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten
............................Teil VI: Pietrasanta . Lago di Bolsena (Latium)


Pietrasanta . Camaiore . Lucca

………. Die Studenten stehen schon um sieben mit ihren Staffeleien am Straßenrand.



………. Mit einem Besuch beim Dicken endet mein Aufenthalt in dieser schönen Stadt.



Im Tagebuch steht als erster Eintrag: „SUPERTAG!“ grins

Auf der SR439 könnte ich Lucca ohne jegliche Höhenmeter erreichen. Doch auf der Straße ist recht viel Verkehr und die Hügel links von mir sehen so schön aus, dass mir nichts anderes übrigbleit, als ab Capezano Pianore der Via Italia, der SP1 oder, wie man sie hier auch nennt, der Via Aurelia zu folgen.

Schon der erste Buckel erscheint mir nicht unbedingt als unüberwindbare Schrankwand mit 14%. Diese paar Meter schrecken mich heute nicht.
Camaiore hat eine wunderbare Altstadt. Es gibt eiskalte Milch und traumhafte Lindenalleen, die mich von leicht bis aufs heftigste ansteigend nach Montemagno geleiten. Eine kurze Abfahrt folgt bis Bartoli.



:Fußgängermodus ein:   
Es ist richtig steil, es ist schattig, es ist grün, es ist traumhaft schön
:Fußgängermodus aus: lach

Dieses 1,90m schmale Sträßchen schlängelt sich scheinbar um die Bäume herum und hat sogar einen Mittelstreifen. Die Ausfahrt nach San Macario In Piano lässt mich mein Bankguthaben überschlagen, ob es hier für kleines Rustico reichen würde. Wohl eher Nein. traurig



Ein Tipp: Wer jemals an dieser unscheinbaren Hütte achtlos vorbei fährt, hat halt Pech gehabt. Klick 1 oder KLick 2 bäh

Hinter der Brücke über den Serchio geht links ein geschotterter Weg am Fluss entlang. Dieser Weg führt direkt zu einer Badestelle. Das Wasser ist glasklar und sehr erfrischend. Wie ich später noch feststelle, gibt es vor der nächsten Fußgängerbrücke noch Badeplätze an Stromschnellen. Diese sind jedoch stark besucht. An der Brücke führt die Straße direkt ins Zentrum von Lucca.





Die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig. Hotels sind exorbitant teuer, Privatzimmer gibt es nur außerhalb. Also nehme ich das Ostello San Frediano, das allerdings kräftig ins Geld geht. Für 50,- pro Nacht bekomme ich aber auch ein Studio über 2 Etagen und ein tolles Frühstück. Ich hätte es schlechter treffen können.



Eine private Nachricht macht mich sehr traurig, sodass ich nichts auf die Reihe bekomme und ziellos durch die Stadt laufe. Diesen Ruhetag in Lucca hab ich mir anders vorgestellt.
Im Gedächtnis blieben mir die kleine Piazza an der Chiesa di Santa Giulia. Hier erklingt klassische Musik, die mich etwas aufmuntert. Zwei Stunden sitze ich auf einer Bank, schreibe und lese, während Studenten im Konservatorium vorspielen. In der Kirche wird ein Konzert geprobt. In diesem Augenblick ist das der friedlichste Platz, den ich je kennenlernen durfte.



Lucca aus meiner Sicht:

………. das war das schlechteste Essen on Tour! Irgendeine Trüffelpampe. Furchtbare Touristenfalle. weinend



………. Die Piazza Anfiteatro nach dem Fiasko lach



………. immer noch..............



………. hier geht’s raus!



………. hier geht’s hoch!




Lucca . Altopascio . San Miniato

Bereits nach wenigen Kilometern gibt mein Tacho keinen Piep mehr von sich. Die Batterie ist leer. Als Ersatz kommt die teuerste Knopfzelle meines Lebens zum Einsatz. Sie kostete nur 5,- Euro. Das erste Angebot in Lucca lag bei 8,- Euro. Wohlgemerkt, es war eine stinknormale CR-2032, die in der Bucht 30 Cent kostet. Soviel zu den Preisen in Lucca.

Schon in Altopascio wird es merklich wärmer, nachdem gestern noch eine kleine Schauer für etwas Abkühlung gesorgt hat. Die Staubstrecken des Originalweges spare ich mir und bleibe auf der SP15 bis Fucecchio. An der Brücke über den Usciana-Kanal zeigt das Thermometer 45°. Eine längere Mittagspause verbringe ich mit zwei Australiern, die in der Herberge auf der Brücke übernachten möchten. Mein Ziel für heute liegt aber hinter San Miniato.
Doch dafür muss ich erstmal hoch, anschließend wieder runter und nochmals nach oben. 49°! grins

………. Zypressen in Reih und Glied. Chiesa di San Jacobo in Altopascio



………. Herberge in der Ponte a Cappiano



………. neue Architektur am Rande von Fucecchio



………. der erste Blick auf San Miniato vor der Brücke über den Arno



………. erste Pause zwischen San Miniato Basso und San Miniato im kühlenden Schatten



:Fußgängermodus ein: 
Es ist richtig steil, es ist brüllend heiß, es gibt keinen Schatten, es ist mal wieder traumhaft schön
:Fußgängermodus aus: lach

Schon bei der Tour Planung hatte ich vor der Toskana den meisten Respekt. Es sind nicht die langen Anstiege, die wehtun, es sind diese fiesen steilen Hügel mit wenigen Höhenmetern in Verbindung mit Anstiegen im zweistelligen Prozentbereich. Würde ich es wieder so machen? Ja, denn die Bergdörfer bieten den unvergleichbaren Charme des Mittelalters in Verbindung mit dem Blick auf unverzichtbare Errungenschaften der Neuzeit.

………. Hinter mittelalterlicher Fassade



………. überraschen beleuchtete Regenschirme............



………. und von unten nicht sehbare Aufzüge............weinend



Östlich der Stadt überrascht mich eine einbetonierte Tiefgarage für die Stinker mit Wasserhähnen für durstige Radler. Noch einmal muss ich kurz in den Fußgängermodus, bevor mein Tagesziel rechts am Wegesrand auftaucht. Pellegrino hat es mir im Fragefaden empfohlen.
Die Azienda Agrituristica Marrucola ist ein Volltreffer! party

„Kommen Sie bitte herein. Das ist meine Familie. Setzen Sie sich bitte zu uns an den Tisch. Seien Sie unser Gast. Möchten Sie Spaghetti, etwas Salat, Wein und Wasser? Probieren Sie bitte den Kaffee zum Kuchen! Von Wo kommen Sie? Von Düsseldorf? Mit diesem Rad? Bis nach Rom? Fühlen Sie sich bitte wie zu Hause. Da hinten ist der Pool!“ verliebt

Eigener Wein, eigenes Öl, selbst gebackenes Brot und sonstige Leckereien werden hier herzlichst dem schwitzenden Radler kredenzt. Auch die Zimmer sind fantastisch.
Der Blick über die saftig grünen Hügel verspricht saftig heftige Anstiege für den morgigen Tag. Doch heute ist heute, und während ich so am Pool den anderen Gästen zuschaue, freue ich mich aufs Menu. wein

………. Freiheit für die Füße! grins



………. Süßer das Pilgerleben nicht sein kann grins



………. mit einer kleinen Portion Antipasti am Abend wein


………. und dem besten Spargel-Risotto forever, das ich leider nicht geknipst habe. traurig

Das erweiterte Frühstück mit Käse, Schinken&Co bereitet mir Claudio höchstpersönlich. So früh stehen seine Angestellten normalerweise nicht auf. Dass ich für das Mittagessen und das abendliche Menu mit allem PiPaPo 25,- Euro zahlen darf, beschämt mich nicht wirklich, denn Pilger sind doch arme Wandergesellen. grins




San Miniato . Castelfiorentino . Certaldo . San Gimignano

Hinter Calenzano I und Calenzano II werde ich unsicher, ob die weiße Straße heute das richtige für mich ist. Dicke graue Wolken sammeln sich am Horizont und kommen näher. Der eigentliche Weg der Francigena führt über Gambassi Terme und Pancole ins Manhattan des Mittelalters. Wer sich den Track von mir anschaut, wird erkennen, wo ich gezweifelt habe.
Dass die Entscheidung, über Castelfiorentino zu fahren, richtig war, zeigen die Bilder aus Certaldo. Was für ein Glück, dass ich dort den schlimmsten Teil des Unwetters unter dem schützendem Dach eines Supermarktes verbringen konnte.

………. Blick von Calenzano II auf San Miniato



………. Blitz und Donner bei Certaldo



………. Blick nach vorne bei unbeständiger Wetterlage weinend



Die Abkühlung auf 17° tut richtig gut. Nur manchmal bleibe ich auf dem Weg nach San Gimignano unter schützenden Bäumen stehen. Ich hasse es, im Regen bergauf zu radeln!

Den Fußgängermodus brauche ich nicht einzuschalten. Auf den letzten Metern vor dem Stadttor packt mich bei 10% der Ehrgeiz. lach
Es gibt keinen Aufzug, auch wenn dieser in einem Reisebericht zur Francigena erwähnt wurde. Die Autorin hatte San Miniato und San Gimignano verwechselt. Kann passieren! grins
in eigener Sache: Es gibt, wie ich mittlerweise erfahren habe, auch in San Gimignano einen Aufzug. Er befindet sich auf der Nordseite der Stadt, genau hier.

Schwester Magdalena erweckt in mir den Eindruck, als fühle sie sich in ihrem Nachmittagsschlaf gestört. Doch mein Rad steht prima im Schuppen des Klosters, und das Zimmer gehört mir alleine.

"pre Aperitivo:" Zeit für den Stadtbummel mit der Kamera:

„Gibt es das beste Eis der Welt jetzt bei Ihnen oder da Nebenan?“
„Sie sind aus dem Rheinland. Köln oder Düsseldorf? Wissen Sie, der von nebenan hat es auf die Tür geschrieben. Ich habe die Zertifikate. Punkt.“
lach
Sergio hat wirklich das beste Eis der Welt. Als ich ihm sage, dass ich Paolo Conte liebe und demnächst jedes Mal, wenn ich Gelato al Limon höre, an ihn denken werde, nimmt er mich in den Arm und wir singen gemeinsam. lach



………. Vor dem Dom sitzt ein Engländer und zeichnet eine Hochzeit mit einem 6B. Er hat die Kamera gegen mehr Zeit eingetauscht.



………. Die Italiener betrachten das Spektakel am Sonntag ohne eine Canon, die zu hunderten an touristischen Hälsen hängen.



………. Die Kommunisten grüßen Syriza jenseits des Adriatischen Meeres



………. Einfach nur ein schöner Platz



………. Einfach nur eine ordentlich leckere Portion Spaghetti außerhalb der Stadtmauer



………. Einfach nur ein wunderbarer Ausblick




San Gimignano . Colle Di Val D'Elsa . Monteriggioni . Siena

14 Etappen bis Rom nach dem Pilgerführer => 7 Tage auf dem Rad => Ankunft in Rom: 21. Juni. Passt immer noch.

Während Schwester Rabiata noch schläft oder singt, trinkt ein Kalifornier mit mir warmgehaltenen Kaffee. Er läuft mit dünnstem Schuhwerk, in das die Zehen eingearbeitet sind. Er sieht fit aus und läuft jeden Tag ca. 50 km. Buen Camino! lach

Es schüttet wie aus Eimern. Die Bedienung in dem Café mit dem Schriftzug über der Tür bringt mir ein völlig überteuertes Frühstück. Nun gut. In Italien regnet es maximal eine halbe Stunde lang. Stimmt auffällig!

Die Strecke verläuft ohne nennenswerte Begebenheiten. Ein paar Bilder:

………. Rückblick auf San Gimignano



………. ein Castello von weitem



………. Castel Petraia von ganz nah



………. Monteriggioni von der Seite



………. 2 Cappu, Milch, Brot, Quiche mit Gemüse, gefüllte Zucchini mit Ei, Mozzarella und Toast mit Thunfisch: 10,- Euro bäh lach



Warum Pellegrino hinter der Bar Ceppo rechts ab gebogen ist, werde ich wohl nie verstehen. In Erinnerung bleibt der Fußgängermodus mit 16% vor Siena.

Am Rande der Innenstadt, es regnet in Strömen, findet booking.com für mich ein Quartier mitten in Siena. Angerufen, das Quartier ist als POI im Garmin aufgeführt, Preis abgeklärt und Navi mit der Routenplanung beauftragt. So mache ich das gerne. Warum soll ich über booking.com buchen? Die wollen doch nur meine Daten.
Im Tagebuch steht: Wahnsinns Entrée, Albergo Bernini; die schönste Terrasse Sienas. dafür





Von Siena bin ich dieses Mal, es ist mein dritter Besuch hier, enttäuscht. Vielleicht liegt es am Wetter, vielleicht an der allgegenwärtigen Abzocke, vielleicht auch am Protz des Doms, der mir noch nie so intensiv unanständig aufgefallen ist.
Vielleicht mag es auch daran liegen, dass mich ein Abendessen in der empfohlenen Trattoria bei genauer Betrachtung der Speisekarte, mindestens 60,- Euro gekostet hätte. Das gefällt mir nicht.

Nochwas: Den schlechtesten Spritz mit der unfreundlichsten Bedienung gibt es an der Piazza del Campo im Regen.





Bestens hat mir die Basilica Cateriniana Di San Domenico gefallen. Ganz aus Ziegelstein gemauert, merkt der Besucher sofort, dass Schlichtheit und maßvolle Größe der Gebäude den Architekten der Bettelordenskirchen wichtiger waren als Gold und polierter Marmor.

Dass es gegenüber die Möglichkeit gibt, erlesene Weine glasweise zu bestellen, war genau die richtige Vorbereitung auf den morgigen Tag. wein





………. Ein Gecko leistet mir in der Nacht Gesellschafft



………. Mit einem versöhnlichen Blick von der Terrasse verabschiede ich mich von Siena, das gerade aus dem Nebel erwacht.




Siena . Buonconvento . Montalcino . Abbazia di Sant’Antimo

Als Einstimmung auf mein Tagesziel, der Abtei Sant’Antimo, mag sich der interessierte Leser gerne das verlinkte Video anschauen. schmunzel
Doch es kommt sowieso ganz anders!

Die Abfahrt ins Tal nach Monteroni d Arbia durch dichten Nebel macht so richtig Spaß. Toskana im Juni bei 18°. Seit Monteriggioni bin ich auf der SP2, die direkt nach Rom führt. Doch es ist nicht meine Intention, stur auf der Via Cassia zu bleiben. Hinter Buonconvento werde ich einen Abstecher nach Montalcino machen. Der Brunello di Montalcino ist einer meiner Lieblingsweine. wein





Das Stadttor von Buonconvento erreiche ich um 10:19 Uhr nach 29km bei herrlichem Sonnenschein. Dieses Dorf nimmt mich schlagartig mit seinem Charme so gefangen, dass mir ein Angebot von 40,- für ein Einzelzimmer mit Halbpension gerade recht kommt. Widerstand erscheint mir zwecklos, zumal Montalcino auch nur im Fußgängermodus zur Mittagszeit zu erreichen wäre.

Buonconvento behalte ich in bleibender Erinnerung, als ein Dorf mit vielen liebenswerten Details: verliebt

………. Die L’Eroica ist hier allgegenwärtig,



………. und das Eis immer eine Sünde wert.



………. Gasse von oben



………. Gasse von unten



Im Restaurant des Albergo Roma erklingen am Nebentisch Worte, die mir bekannt vorkommen. Ein Ehepaar aus dem schönen Emmental bei Lützelflüh teilt meine Begeisterung für die kühlenden Badeplätze an der Emme. Die Welt ist klein. Mit Yvonne und Jörg verbinden mich noch mehr Gemeinsamkeiten, und so verbringen wir einen entspannten Abend bei Antipasti, Kalbfleisch mit Trüffel und Tiramisu. Halbpension, sagte ich schon. lach

Der Frühstucksgutschein ist in der Bar nebenan einzulösen. Yvonne und Jörg sitzen dort mit einer anderen Schweizerin beim Cappu. Annemarie wird über Rom hinaus nach Civitanova del Sannio laufen, dort auf ein Fahrrad umsteigen und über den Gotthard zurück in die Schweiz radeln. Doch das weiß sie jetzt noch nicht. bravo

Kurz hinter Buonconvento biegt von der Via Cassia die Strada Provinciale Del Brunello (Sp45) ab. Alleine der Name dieser Straße lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Angesichts exorbitanter Preise, die in Deutschland für einen wirklich guten Brunello gezahlt werden, steigt die Hoffnung auf einen bezahlbaren 2007er ähnlich an, wie die SP45 nach Montalcino. grins

Doch vor dem Fußgängermodus fallen mir noch zwei Pilger auf. Marcella und Robert wohnen bei Straßburg und sind in Lausanne gestartet. Sie sind der Meinung, dass ich nicht soviel rauchen solle und gehen weiter links ab Richtung San Quirico D'Orcia. Buen Camino! lach

………. Ob der 2015er so gut wird wie der 1995er? grins



………. Montalcino vor dem Fußgängermodus



………. Montalcino nach dem Fußgängermodus



In der schwülen Luft haben mich die 13% mehr als bis an meine Grenze gebracht. Selten war mein Hemd so klatschnass wie heute. Doch meckern mag ich nur über den Preis eines Glases vom 2007er.
12,- Euro sind fast doppelt so viel, wie ich in Siena bezahlt habe. bäh

………. Der 2008er geht so gerade noch, doch der Geschmack ist nun überhaupt und gar nicht vergleichbar.



………. Die Flaschenwahl fällt ins Wasser. Andere Mütter haben auch schöne Töchter. wein



Rückblick: Montalcino und die Abtei Sant’Antimo waren Stationen einer Reise im Jahr 1995. Auf der Wiese vor dem Kloster lagen wir in Eintracht nebeneinander, blinzelten in die Sonne, quatschen Guzzi- und Harley-Latein, während aus den glaslosen Fenstern der Kirche gregorianische Gesänge tönten, die uns Rocker sanft schwingen ließen. Leider kamen die Klänge damals vom Band.
Später wurde ich Fan von Jan Garbarek, hörte Officium und anderes von ihm öfter, als es meinen Nachbarn gefiel. Mehrfach konnte ich seine Konzerte besuchen, wobei mir ein Auftritt mit dem Hilliard Ensemble im Ulmer Münster unvergessen bleibt. Ein Beispiel zum hinhören

Was bleibt nachhaltig von solchen Erfahrungen?
Da wäre zum einen die letzte Stereoanlage meines Lebens zu nennen, die ich mir nach einem Konzert in der Kölner Philharmonie kaufen musste. Weiterhin besteht seit dieser Zeit der Wunsch, die Abtei noch einmal zu besuchen.

Meine Recherche ergab, dass täglich mehrfach die Messe gehalten wird und Pilger im Gästehaus des Klosters übernachten können.

Die Fahrt ins Tal ist fantastisch, doch geht sie viel zu schnell vorbei, da ich vor einem großen Hund abhauen muss. Die Erinnerungen an Portugal holen mich wieder ein. Es bleibt jedoch die einzige Begegnung mit meiner Angst auf der gesamten Reise.

………. Ein erster Blick Richtung Castelnuovo dell’Abate



………. Ein zweiter Blick Richtung Castelnuovo dell’Abate



………. Ein erster Blick auf die Abtei Sant’Antimo



Um Punkt 14:00 Uhr kommt der erste heftige Regen, den ich in einer kleinen Trattoria abwarten kann. Es folgt ein Spaziergang um die Abtei, während ich telefonisch versuche, ein Zimmer für die Nacht zu reservieren. Gestaltet sich das Procedere der Reservierung zunächst relativ schwierig, ist die Messe einfach nur schön.
Vier von den dort noch sechs lebenden Mönchen tönen in beschämender Einfachheit. Anders kann ich es nicht ausdrücken.

Ein paar Bilder:







Nachdem mir nicht klar war, ob die Reservierung nun geklappt hat und mir erzählt wird, dass hier nur Fußpilger nächtigen dürfen, kommt die Lösung der Verwirrung in Gestalt einer sehr resoluten Schwester, der ich doch bitte mit dem Rad hinterher hetzen möge, denn sie rast schon mal mit meinem Krempel im Lancia voraus. grins

Die Herberge entpuppt sich als eine mehr als große Betonfestung, die in den Berg gebaut ist. Hier finden oft größere Veranstaltungen statt.
Jedenfalls habe ich großes Glück. Das einzige Hotel im Dorf ist geschlossen; die Wege aus dem Tal heraus sind mühsam und steil. Immer wieder öffnen sich die Schleusen des Himmels als Grundlage für dieses grüne Paradies. Nichts kann schöner sein, als hier zu verweilen. Es hat sich sehr gelohnt, hierhin zu fahren.

Ein Spaziergang durch Castelnuovo dell’Abate fordert genügend Leistung, um das Abendessen in der Locanda S. Antonio zu überstehen. Bistecca di Vitello, Spinat, Käse und ein einfacher Hauswein erster Güte zum Pilgerpreis für 20,- Euro entschädigen mich mehr als genug für den entgangenen Brunello. wein








Abbazia di Sant’Antimo . Campiglia D'Orcia . Ponte a Rigo .

Um mich herum geht’s nur hoch, dahinter wieder runter, über den nächsten und den übernächsten Buckel rauf und runter. Genauer gesagt, geht’s heute 950 Meter hoch und 950 Meter wieder runter. Die Maximalsteigung beträgt 15%. Um 09:10 Uhr gibt es das erste Frühstück nach 12km in der Osteria Santa Caterina, in deren Küche gerade das Mittagessen vorbereitet wird.

………. mittlerweile habe ich den ersten Buckel hinter mir und schaue vom Fluss Orcia zurück zum Castello Di Velona, an dem ich eben noch ahnungslos vorbei gekommen bin. weinend



………. auf nächster halber Höhe ein letzter Blick zum Castello



………. Frühstück. Endlich! Die Osteria Santa Caterina scheint mehr als nur ein Geheimtipp zu sein.



An der nächsten Kreuzung steht ein Kleinbus mit Obst, Riegeln und eisgekühltem Wasser. Die Fahrerin wartet auf die letzten Radler, die auf einer Tagestour die Toskana erkunden. Maria Katherina erzählt mir, dass sie Amerikaner betreut und diese immer an bestimmten Punkten versorgt. Das wäre ja alles nicht der Rede wert, würden sie nicht im Castello Di Velona nächtigen. Was dieses bedeutet, wurde mir erst später klar.
Tante Google lüftet das Geheimnis einfacher Bescheidenheit amerikanischer Radtouristen. dafür



Campiglia D'Orcia beschert mir den Höhepunkt des Tages und eine steile Abfahrt nach Bagni Filippo. Zu einem Besuch des warmen Wassers mag ich mich nicht durchringen. Mir fehlt das Vertrauen, mein Rad unbewacht und für längere Zeit an der Straße im Touristengewühl stehen zu lassen.
So geht’s weiter bergab, und mit einem verzweifelten Blick hoch auf die Festung von Radicofani hat mich die Via Cassia wieder.







"Fahren Sie von Campiglia D'Orcia über Abbadia San Salvatore und Piancastagnaio zur Via Cassia nach Ponte a Rigo! Es ist viel schöner und die Cassia ist sowieso gesperrt."

Ein Tipp: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Die Strecke über die SP18 wäre sicherlich viel reizvoller gewesen als über die gesperrte Via Cassia zu radeln.
Doofe Entscheidung! Vielleicht fährt ja jemand dort entlang. Deshalb habe ich die bessere Variante bei der großen Suchmaschine verlinkt Campiglia . Ponte a Rigo

Nun gut. Über die Betonbarken kann ich das Rad heben. Es geht darum, dass eine Brücke für den Autoverkehr gesperrt werden musste. Für Radler ist das aber kein Problem. Drei Holländer fahren vor. Sie hatten auch keine Lust, die Umleitung über Radicofani zu nehmen. grins

Hinter Ponte a Rigo wiederholt sich in meinem zweiten Agriturismo die Geschichte vom Agriturismo Marrucola bei San Miniato. Im Agriturismo Sant'Apollinare gibt es nur unwesentliche Unterschiede:

………. Opa Giuseppe hat den Kampf mit seinem Auto verloren.



………. Es gibt eine Terrasse fürs Terra



………. und eine schnöde Tomatensuppe geht auch auf allerhöchstem Niveau verliebt




Ponte a Rigo . San Giovanni . Proceno . Acquapendente

"Sind Sie bescheuert? Sie wollen über Proceno nach Acquapendente? Fahren Sie zurück zur Cassia und rollen gemütlich dahin!"

So oder ähnlich bereitete mich die Chefin des Agriturismo auf das vor, was kommen wird. Es klang jedenfalls noch immer so in meinen Ohren, als ich nach dem tollen Frühstück mein Rad bepacke. Frau Wirtin hatte recht, denn die Tücke liegt im Detail der elektronischen Karten, der unzureichenden Höhenlinien und dem Wettergott, der es heute mal wieder so richtig brennen lassen wollte.

Dabei überzeugt die kleine SP20 mit feinem Asphalt, leichten Anstiegen und sanften Abfahrten bis kurz vor Case Orienti. Die Buckel, die dann auf der Strada Provinciale Proceno (SP 52) kurz hintereinander folgen sind einfach nur zensiert. Was tun mir die Beine weh! Jeder Meter auf den 14% Anstiegen wird zum Feind. Erst in Proceno kann ich aufatmen, nachdem ich völlig fertig bei 40° durch die Tür einer Bar stolpere. Dabei ist es doch erst kurz vor 11:00 Uhr.
Die Grenze von der Toskana zum Latium habe ich abgefahren. Nach Rom kann es jetzt nicht mehr weit sein. lach

………. Die SP20 am frühen Morgen



………. Die Strada Provinciale Proceno ist quasi die Grenzkammstraße zwischen der Toskana und dem Latium



………. Talblick von Proceno



………. Die Tür zu dieser Kirche ist leider geschlossen, sonst hätte ich eine Kerze angezündet. In Gedanken bin ich in Neuss. Ein Freund wird beerdigt. traurig
Für die restlichen Kilometer brauche ich ewig. Der Weg über die Cassia nach Acquapendente zieht sich hin wie Gummi.



Ich habe immer noch keine Idee, wie ich schlechte Nachrichten besser verarbeiten kann. Im Alltag merke ich die körperlichen Folgen nicht direkt. Doch auf Radtour sind mir die Wechselwirkungen zwischen Geist und Körper sehr präsent. Lassen wir es gut sein für heute!

Am Abend, in der Basilica del Santo Sepolcro gibt es eine feine Kunstaustellung, treffe ich zwei Iren und zwei Amerikaner auf dem Weg nach Rom. Mein Weg führt mich heute noch zum Friseur. Mit kurzen Haaren und gestutztem Bart freue ich mich über die einfach designten Blumenträger. Auf einfachste Art tragen recycelte Paletten frisches Grün in graue Gassen.

………. Hier erreichen Fußpilger auf steilen Wegen die Stadt



………. Bilder einer Ausstellung



………. Detail eines Bildes



………. Es muss nicht immer Alessi, Kartell oder Cassina sein verliebt



………. Ob jemals jemand hinter dieser Tür den Namen "Poltrona Frau" auch nur gehört hat? unschuldig



Das Abendessen im Albergo "La Ripa" ist einfach köstlich. lach


Acquapendente . Bolsena

Nebelschwaden hüllen Acquapendentes Türme ein. Die Via Cassia steigt mit maximal 6%, die mir in der Kühle des Tages fast nicht auffallen. Was ist das doch für ein eklatanter Gegensatz zum gestrigen Tag!

In San Lorenzo Nuovo, ich trinke gerade Cappuccino und kalte Milch, bekomme ich ein verlockendes Angebot:
„Nehmen Sie bitte meinen Audi TT. Er ist flammneu, aufgetankt und bei den Signorinas kommt er besser an als so ein doofes Fahrrad! Sie bekommen ihn von mir geschenkt."
Ich weiß das Angebot zu schätzen, kenne mich schließlich mit dem Ding aus, doch annehmen mag ich es dann doch nicht. Dumme Entscheidung. grins

Kann mir jemand erklären, warum diese Deppen mit Goldkettchen ihre Karren mit laufendem Motor und offener Türe vor der Bar stehen lassen, während sie drinnen den Macker machen und schnell einen Kaffee kippen? weinend

………. Acquapendente im Nebel



………. Lorenzo Nuovo mit sonnigem Blick auf den Lago di Bolsena



Langsam, ganz langsam und noch viel langsamer als jemals, schreite ich durch das schönste Tor dieser Reise, atme Düfte tausender Gewürze, sehe Blumen in hunderten Farben. Die Erinnerungen an Pietrasanta, Berceto, Buonconvento und anderer Highlights mischen sich mit dem nicht aufschiebbaren und unbedingten Wunsch, hier, in dieser quicklebendigen Stadt am See, heute einen entspannten Tag zu verbringen.

Wir haben den 20. Juni. Morgen hätte ich in Rom sein können. Irgendwo habe ich auf einem Schild gesehen, dass es noch 115 km sind. lach
Um 09:55 Uhr schalte ich nach 20km mein Navi ab und beziehe ein Camera Singola in der Pensione Italia dafür







………. Mit einem Bild vom Strand, das mich ermahnt, doch wieder Yoga zu machen und rechtzeitig die müden Muskeln zu dehnen, verabschiede ich mich von all den erfüllten und unvergesslichen Tagen in der Toskana.



"Kennt ihr die Angst und Verzweiflung der Eltern von Waldorfschülern, die zwar ihren Namen tanzen können, aber null Ahnung von Rechtschreibung und Mathe haben?" grins

Fortsetzung folgt.............. in einem neuen Beitrag unschuldig