Wir frühstücken gemeinsam im CIS. Die Begegnung mit Luc hat mir gut getan und nährt in mir die Hoffnung, nicht alleine auf dem Weg zu sein. Die vielen einsamem Tage auf der Via Lusitana im Osten Portugals, machten mir doch sehr zu schaffen. Wir verabschieden uns in der Hoffnung, unsere Ziele gesund und munter zu erreichen.
3km hinter der Jugendherberge kreuzen sich unsere Wege dann doch noch einmal. Es sollte mehr als ein Vorzeichen auf Kommendes sein. Buen Camino!
............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten
............................Teil II: Reims . Langres . Besançon . Pontarlier . Yverdon
Das heutige Ziel ist
Châlons-en-Champagne, eine Partnerstadt von Neuss. Mein Weg folgt mit leichten Abweichungen der offiziellen und ausgeschilderten Via Francigena. Bereits nach wenigen Kilometern tauchen vor mir zwei Wanderer auf. Es sind Brian und Shirley aus Australien. Mein Klingeln freut die beiden umso mehr, als dass ich der erste bin, den sie seit ihrem Start in Canterbury mit dem Ziel Rom treffen. Er ist 76 Jahre alt, Shirley ist ein Jahr jünger. Beide sind seit 55 Jahren verheiratet. Brian hat ihr zum Hochzeitstag diese Reise geschenkt.
Wiederum ein paar Kilometer später treffen wir in Sillery (Marne) nochmals aufeinander. Unsere Begegnung hat er hier festgehalten.
"After a coffee there we continued and met Jorgensen on his bike." Später auf der Tour, wenn mich jemand nach meinem Namen gefragt hat, habe ich ihn aufgeschrieben.
In Sillery, wir stehen mal wieder vor einem Soldatenfriedhof, trennen sich unsere Wege dann endgültig.
………. zwischendurch wollte ich zum
Fort de la Pompelle. Trotz meines Reisepanzers ließen sich die Gräben und Leitplanken an der 4-spurigen D944 nicht überqueren.
………. auch ein Photo vom Ei-Tablett kann einen schönen Moment einfangen
………. manchmal wünschte ich mir ein Trike. Heute nicht.
………. der Blick schweift über die Eisbecher der Champagne.
Über die Hügel der Champagne, durch ausgestorbene Weindörfer und über die kleine D1, ich hatte die Rumpelei am Kanal satt, erreiche ich Châlons und frage in der Sakristei von Notre-Dame En Vaux nach einem Pilgerbett für zwei Nächte. Pustekuchen! Selbst die Zimmer, die normalerweise für Besucher aus der Stadt der goldenen Nüsse reserviert sind, waren belegt. Suche selbst, sonst findet keiner!
Eine Bleibe in der Nähe des Bahnhofs käme mir sehr gelegen, da morgen ein Ausflug nach Verdun ansteht. Fündig wurde ich 25 Minuten per pedes entfernt. Das Rad konnte im Garten stehen bleiben.
Es war der Abend, der Fußballbegeisterten lange in Erinnerung bleiben wird.
Lahm rutscht aus, Alonso rutscht auch aus, Götze ist geknickt, Neuer hält und trifft abschließend die Latte.
Triple ade!
Verdun
Bei der Vorbereitung der Reise wurde mir klar, dass ich neben Bastogne und Sedan auch Verdun besuchen wollte.
Das, was ich dabei gefühlt habe, hat mich mehr erschreckt, als das, was ich gesehen habe.
Auf den letzten Kilometern fährt der Bus über einen Teil der "Voie Sacrée" die von Bar-le-Duc nach Verdun führt. Auf diesem heiligen Weg wurden im Sommer 1916 täglich bis zu 12800 Soldaten und 7100 Tonnen Munition an die Front in Verdun gebracht.
(Voie Sacrée bei Wikipedia) Wer also einmal auf der D1916 mit dem Rad unterwegs ist, möge sich an die Bedeutung dieser Straße und
die Noria erinnern.
Vom Bahnhof aus führt mich ein Franzose zur Touristen Information. Da es keinen Bus zum Fort Douaumont gibt, trinke ich erstmal einen Kaffee und nehme mir anschließend ein Taxi zum Fort Vaux. Dort oben umringen mich dutzende andere Besucher.
Ich möchte alleine sein.
Es ist mir in diesem Augenblick unmöglich, mit den anderen diese Kasematten zu betreten.
Wut und Trauer vermischen sich mit Unverständnis. Kann man die Unbarmherzigkeit des Abschlachtens in verständliche Worte fassen?
Ich trete wütend auf den Boden, stapfe orientierungslos über das Dach des Forts, schaue in irgendwelche Beobachtungsluken und bleibe an einem Stück Beton sitzen.
Es ist friedlich hier. Leise weht der Wind, und ich singe schweigend: "Sag mir, wo die Blumen sind. Wo sind sie geblieben? "
8 Tage vor Beginn der Kuba-Krise hat Marlene Dietrich das Lied von Pete Seeger am 6. Oktober 1962 auf einer UNICEF Veranstaltung in Düsseldorf das erste Mal auf Deutsch gesungen. Dieser Mitschnitt hat mich am meisten berührt.
Lasst euch Zeit beim Hören
Quand comprendra-t-on?
Zu Fuß gehe ich die Straße runter, denke bei den
Laufgräben an meinen Vater, der in den letzten Kriegswochen als 18-jähriger immer eine Schaufel dabei hatte und bleibe beim großen Gräberfeld von Douaumont stehen. Sprachlos und gleichzeitig fasziniert von Reih und Glied tausender Betonkreuze stehe ich wie verloren da rum, bevor ich anfange, die beste Perspektive für die Kamera zu finden. Die Ordnung des Schreckens ist machtvoll.
Später schreibe ich in mein Tagebuch:
„nummeriert, katalogisiert, zentimetergenau abgelegt im Boden des Grauens.“
„Zwischen Verdun und Auschwitz liegt Deutschland. Wie viele Fahrräder braucht es, um eine Kette von hier nach dort zu bilden? Mein Navi sagt, es sind 1008 km Luftlinie“.
in eigener Sache: Ich schreibe diesen Bericht in mehreren Etappen. Manche Antworten auf mein Erlebtes möchte ich hier gerne einflechten.
Felix zitierte ein Lied von Eric Bogle - No Man's Land. Es gibt eine Interpretation von Hannes Wader, die ich als sehr eindrücklich empfinde. Ohne den Hinweis wäre ich selber nicht darauf gekommen und hätte wohl nicht daran gedacht, das Video hier zu verlinken.
Es ist an der Zeit…..
Ingo schrieb sinngemäß, dass er sofort losfahren möchte. Die gleichen Orte sehen. Dort sitzen, schweigen, denken, gedenken.
Ja, genau so erging es mir. Denken und Gedenken ist der passendste Ausdruck dafür. Fahr los!
Nathalie und viele andere formulierten unsere Verantwortung als Nachfahren der beteiligten Kriegsparteien so, dass es dafür zu sorgen gilt, dass sich derartiges nicht wiederholt.
Ich kann und will mir eine Wiederholung dieses Schreckens nicht vorstellen, auch wenn, so wie Andreas schrieb, das Gespenst: -wir sind Nazi- scheinbar erneut, nicht mehr gänzlich unvorstellbar zu sein scheint.
Meine feste Überzeugung bleibt, dass die Mehrheit der Europäer nicht den braunen Rattenfängern folgen wird, auch wenn die Entwicklung bei uns und in vielen unserer Nachbarländer nicht erfreulich ist und Anlass zur Sorge bietet. Vereint im Hass auf Minderheiten, zeigen die Rechten doch nur erschreckend ehrlich ihre kleine dumpfe Welt.
Es ist absolut richtig, darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen, Museen zu besuchen, Geschehenes zu verstehen und mahnend den Griffel zu heben. Was mich zudem beschäftigt, ist die Reaktion von Markus, der ganz klar sagt, dass er viele Geschichten aus seiner Jugend verdrängen und vergessen wollte. Diese Ehrlichkeit imponiert mir, weil ich das Verdrängen nur zu gut kenne. Schweigen! Schwamm drüber! Doch kein Schwamm kann porentief von außen reinigen. Das gaukeln uns nur die Werbefuzzis und Verhaltenspsychologen vor. In meiner Vorstellung muss der Mensch ein solides Fundament (sh. Andreas: Ich-Kraft) seines eigenen Lebens erreichen, damit er bereit ist, beiseite zu treten, um sich für das Erlebte und Verdrängte, den Blick in den eigenen Abgrund, zu öffnen. Dafür reicht oft ein winziger Augenblick des Sehens und Fühlens. Vielleicht mag auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Familie zunächst schwierig sein. Doch hinzuschauen, hinzufühlen und, wenn es sein muss, auch zu vergeben, kann mit die Grundlage für die Moral unserer Kinder sein. Vielleicht ist es passend, in dem Zusammenhang den Begriff der Moral noch mit dem Begriff des Respekts zu ergänzen. Respekt ist für mich die Grundlage des Miteinanders zwischen Nachbarn im Hochhaus oder Staatsvertretern im Sitzungssaal der Vereinten Nationen.
Nochwas: Ich hab selten Geschichtsbücher gelesen und war in diesem Fach eher wenig interessiert. Zur Zeit mimt mich die Trilogie von Ken Follett gefangen. Im ersten Band beschreibt er sehr verständlich und hervorragend recherchiert die Entwicklungen von 1911 bis 1924.
"Sturz der Titanen" hat mir gezeigt, dass die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ohne die Fehleinschätzungen, Machtspiele und falschen Versprechen der Regierenden einerseits und der Verblendung sowie der Obrigkeitshörigkeit andererseits, nie hätte geschehen können.
Vielen Dank für euer Mitdenken und Mitgedenken!
Ich halte mich noch länger im
Beinhaus von Douaumont auf und schaue mit neugierigem Blick auf einen LHT auf dem Weg nach Venedig.
Autofahrer anzusprechen und zu fragen, ob sie mich mit zurück nach Verdun nehmen, ist zwecklos. In Gedanken bleibt mir ein Fußmarsch den ganzen Weg zurück nicht erspart, als sich doch noch ein freundlicher Franzose meines gereckten Daumens im Wind erbarmt, einen Umweg in Kauf nimmt und mich kurz vorm Zentrum absetzt.
Zurück in Châlons, löst sich meine Hoffnung, vielleicht doch noch eine Nacht im Hotel bleiben zu können, in Luft auf. Egal. So habe ich heute das Vergnügen, im Zelt auf dem Camping Municipal zu schlafen. Muss sparsamer leben, der Weg ist noch weit und der Schnitt sowieso im Eimer.
Ich möchte die Beschreibung von meinem Tagesausflug nach Verdun mit einem Photo beenden, das mir sehr am Herzen liegt. Neben dem großen Gräberfeld gibt es abseits eine Gedenkstätte für muslimische Gefallene. Außer mir war dort kein anderer Besucher. Es wäre wünschenswert, dass, gerade heute, dort mehr Besucher hingehen!
Châlons-en-Champagne . Lac du Der-Chantecoq. Joinville (Haute-Marne) . Langres
Neben mir zelten 4 Holländer. Alle sitzen sie auf Rädern von Jan Janssen, alle Räder sind schwarz, alle Räder haben hoch aufgerichtete Brezellenker. Der Weg nach Santiago ist noch beschwerlich. "Die Brezellenker machen die Bergkletterei einfacher!" Buen Camino!
Über die D60, dem aufgebrochenen Asphalt und den Fahrspuren am Canal Latéral À la Marne erreiche ich Vitry-le-François zum Mittag. Es beginnt zu regnen. Es hört nicht auf. Eingepackt in schwarzen Regenklamotten vertraue ich auf mein Wetterglück und stehe doch irgendwann im Nirgendwo französischer Einöde. Du siehst nix mehr. Alles tropft, die Hände frieren im nassen Gegenwind. Das rechte Handgelenk schmerzt wie Hölle. Non¬cha¬lance, was ist das? Ich hoffe auf touristische Infrastruktur in der Nähe vom Lac du Der und finde einen verschlossenen Campingplatz mit Holzhütten an der Kreuzung von D58 und D13.
Weit und breit ist nichts anderes in Sicht. Auf mein Klingeln öffnet sich das Tor ins Paradies.
Die Fragen von Madame beantworten sich von selbst:
"Möchten Sie zu Abend essen? Wein oder Bier?"
"Möchten Sie frühstücken? Kaffee oder Tee?"
Ich nehme alles und bekomme es termingerecht auf dem Tablett in meine Hütte gebracht. Gegen die Schmerzen schmiere ich stündlich Voltaren dick aufs Handgelenk.
Der Regen trommelt unermüdlich bis zum frühen Morgen aufs Blechdach. "Darf ich noch eine Nacht bleiben, Madame?"
"Qui! Mittagessen, Abendessen, Frühstück?"
So vergeht die Zeit in der Holzhütte. Zwischen Bett und der Terrasse, versorgt mit dem Tabak aus Luxemburg, Voltaren und den Mahlzeiten verlasse ich im strömenden Regen für insgesamt 42 Stunden dieses Domizil nicht ein einziges Mal. Zusätzlich sorgen die Plauderecke und Bruno, Chef de Police, für Kurzweil.
Die Schmerzen sind weg, der Dünnpfiff vom Abend auch, und das Wetter zeigt Erbarmen. Ich möchte nach Montier En Der. Dort soll es eine weiße Holzkirche geben. StefanS hat sie mir ans Herz gelegt. Das ist mit ein Grund, warum ich die Francigena zwischen Châlons-en-Champagne und Langres überhaupt verlassen habe. Doch die Wanderung von Wegpunkten auf ihrem Weg von BaseCamp zum Navi sind unergründlich. In Montier erzählt mir die Dame in der Touristeninformation, dass sich die Fachwerkkirche in Lentilles befindet. Schade!
Über die D4 erreiche ich Joinville am Nachmittag. Der Regen hat mich wieder eingeholt, doch schmerzfreie 900hm auf 63km machen Hoffnung.
Ein weiterer Grund für die Streckenänderung war mein Wunsch, der Veloroute 53 nach Langres zu folgen und mir das Viadukt von Chaumont anzuschauen. Beides fällt buchstäblich ins Wasser. Der Regen hört nicht auf. Ich nehme den Zug, schiebe im strömenden Regen mein Fahrrad die 14% hoch nach Langres, betrachte den unter Wasser stehenden Campingplatz mit Argwohn und lande im überteuerten Hotel.
Nicht so schön heute.
Langres . Dampierre sur Salon . Besançon
Endlich wieder auf der Francigena! Endlich hat der Regen aufgehört!
Eine Pilgerin auf dem Weg nach Santiago hat preiswert im Presbyterium übernachtet. Wir frühstücken gemeinsam im Straßencafé und erzählen Geschichten.
Es macht Freude heute. Am kleinen Fluss „Le Salon“ endet die Region Champagne-Ardenne. Die Käse Welt des Franche-Comté beginnt.
Vielleicht mache ich mir was vor, vielleicht sehe ich Gespenster, doch der Himmel und die Kühe wirken freundlicher. Kleine Hügel, bunte Felder und heimelige Dörfer sind Balsam für meine Seele. Ganz ehrlich? Mir ist die Lust auf Rumpelwegen an endlosen Kanälen entlang vergangen. Zum Einfahren in die Saison sind sie allerdings nicht verkehrt.
In Champlitte sitze ich
hier (altes Photo) in der Sonne und freu mich tierisch über ein Menu de jour, das nun gar keine Wünsche offen lässt. Der Nachtisch geht zurück. Und, ja das hat man selten, es gab eine Käseplatte wie früher, als man sich noch selber verschiedene Stücke abschneiden konnte.
In der Touristen Information gegenüber erhalte ich eine Liste mit den Pilgerherbergen von hier bis zum Genfer See. Sie sollte sich heute und in den nächsten Tagen als überaus wertvoll erweisen.
In Dampierre sur Salon werde ich überaus freundlich aufgenommen. Der Preis für die Übernachtung beschämt mich. Herrlich ruhig ist die Nacht in meinem Schlafsack im Schlafsaal des örtlichen Kindergartens
Croq'Loisirs..
Auch in Frankreich bringen Helikopter-Eltern ihre Kinder in die Tagesstätte. Ich verlasse den Ort der Gastlichkeit, genieße das Frühstück im Dorf und betrachte in den überschwemmten Flussauen die Folgen der Regenzeit.
Die Rohloff schwitzt schon geraume Zeit, doch im Zug nach Langres bildet sich einen Ölfleck auf dem Boden. Der Techniker beruhigt mich am Telefon und wünscht gute Fahrt. Es sei unproblematisch, mit der Nabe weiter zu fahren. Ich könne das Laufrad jedoch im Winter kostenlos zur Revision einschicken. (Dabei erfuhr ich, dass alles in Ordnung sei. Selbst die Abscherbolzen im Getriebe sehen nach jungfräulich aus.)
Heute bin ich auf dem Weg nach
Besançon.
Kleine Landstraßen führen durch kurzwellige Hügellandschaften, kreuzen Kanäle und führen mich über einen heftig steilen Anstieg ins Industriegebiet vor Besançon. Dabei verfahre ich mich und muss ein Stück bergauf auf der N57 fahren. Neben mir donnern die LKWs entlang. Nicht schön!
Die Jugendherberge (CIS) ist belegt. Ich übernachte im Hotel F1 und verbringe den Abend mit nordafrikanischen Monteuren in geselliger Runde. Es macht Spaß, mit den Jungs zu quatschen. Erinnerungen an meine Studentenjahre werden wach. Als reisender Schreiner hab ich so manchen Friseursalon zusammengeschraubt. Mein Fahrrad bekommt ein eigenes Zimmer.
Der Frühling hält Einzug. Nach zwei Waschmaschinen in der JuHe erkunde ich die Stadt, sitze in Cafés, spaziere zur Festung hoch……… Gammeltag! Sehr schön!
Die Entscheidung, später im Jahr noch einmal hierhin zu fahren, fälle ich erst morgen.
Besançon . Ornans . Ouhans . Pontarlier . Les Fourgs . Yverdon-les-Bains
………. oder: "Meine Liebeserklärung an eine Landschaft, die Leidenschaft weckt."
Ach was wäre es doch schön, mit Siebenmeilenstiefeln die Falten vom französischen Jura von Nord-Ost nach Süd-West queren zu können.
Jedoch, wie der Titel schon sagt, werden es eher kleine Schritte sein. ……………..
Nach 2 ½ Wochen stehen 710km auf der Fahrraduhr. Bis Lausanne sind es noch 160km. In 7 Tagen beginnt das Forumstreffen in Offenburg. Alles klar?
………. auf der linken Seite vom Doubs führt mich ein wunderbarer Radweg unterhalb der Zitadelle von Besancon bis nach Beure. Die erste Jura-Prüfung kann beginnen. Genügend Respekt ist auf jeden Fall vorhanden.
(
Wer mit dem Begriff einer Jura-Prüfung nichts anfangen kann, der mag sich hier über die Konsequenzen schlau machen:
"Jura oder „Zwei Patriarchen im Intensivkurs")
………. Kopf-Kino ade! In der Pause nach den ersten Kilometern auf der D9 staune ich nicht schlecht.
………. Putzige kleine Häuser an der D101 beherbergen bestimmt nette Radfahrer,....
………. nahe einer Flusslandschaft, die traumhafter nicht sein kann.
………. Kann Schöner Wohnen schöner sein?
………. Obwohl es erst Mittag ist, möchte ich mir diesen wunderbaren Ort näher anschauen und bleibe auf dem
Campingplatz.
Ornans liegt im Tal der Loue, der ich bis zur Quelle folgen möchte. Einige hier im Forum haben mir im
Fragefaden den Mund wässrig gemacht. Ja, das ist hier so wie beschrieben und noch viel besser.
Kunstvolle Ecken, Häuser die sich vorwitzig zum Wasser neigen, liebevoll angelegte Gärten und ein leckerer Pastis lassen die Erinnerung an die schrecklichen Orte in den Ardennen und der Champagne zwar nicht verblassen, aber doch in einem veränderten Licht erscheinen.
Heute vor 70 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Europa vereinigte sich im Laufe der Jahre zu einer großen Idee. Die Freizügigkeit zwischen mehr als 30 Staaten ist ein hohes und bewahrenswertes Gut.
Die ersten Schritte sind getan, weitere müssen folgen. Ich bin, trotz vieler Kritik, dankbar für das Erreichte.
So sitze ich mit Blick auf den Fluss beim Sonnenuntergang und Pastis und mach mir einen heiteren Abend in deutsch-französischer Freundschaft.
Er wird von einer fantastischen Entenbrust an Himbeer Pflaumensauce gekrönt.
Vive la France!
8. Mai 2015
Viele Photographen sind im Café am großen Platz versammelt. In zwei Stunden beginnt eine Ausstellung, die sie gestaltet haben. Obwohl sie mich herzlich dazu einladen, fahre ich weiter, der Quelle entgegen.
Viel zu schreiben gibt es nicht. Vielleicht nur, dass mir jede Bank und jeder Parkplatz für eine Pause nützlich erscheint, um die Landschaft einzuatmen. Auch wenn ich leistungsmäßig an meine Grenze komme, ist die Tour ein Traum in Grün.
Ein paar Bilder von der D67 Ornans - Ouhans:
Ouhans
Im Herbergsverzeichnis ist eine Herberge mit Telefonnummer auf der Rue de Cret aufgeführt. Es ist schwierig, so ganz ohne Französischkenntnisse, mit einem Franzosen ohne Englischkenntnisse zu sprechen. Nur die Worte "Qui, Madame sowieso und Telephone" sind mir ein Begriff. Egal, wird schon klappen!
Ein benachbarter Bauer hilft mir bei der erneuten Kontaktaufnahme, die mir
ein ganzes Haus gegen Pilgerspende beschert!
Spaziergang zur
Source de la Loue. Ich mag die andere Art der Fortbewegung nach getaner Arbeit sehr gerne. Die Trikolore weht leise vor der Kirche im Wind, eine hellgraue Kirche hoch oben auf der grünen Bergkuppe scheint mir ihr inneres Blau schweigend anzupreisen, braun-weiß gefleckte Kühe muhen dezent im matschigen Grün, das Blau des Himmels streitet sich schweigend mit dem hellem Grau junger Wolken. Die verblassten Farben auf den Bildern von
Gustave Courbet lassen im tosenden Sturm des blau-grünen Wasserfalls stumm erahnen, wie farbig diese Welt doch sein kann. Photos?
Photos!
Ich hab was vergessen: Mein Regenschirm ist knack-orange!
Heute wäre so ein Tag, wo er mir beste Dienste leisten könnte. Es kübelt wie aus Eimern auf dem Weg nach Pontarlier. Erst in der Heimat des Absinth hört der Regen auf. Photos? Fehlanzeige!
Was mach ich jetzt? Ich stehe an der N57 südlich von Pontarlier, hunderte Autos knallen erbärmlich laut an mir vorbei. Diese Variante nach L'Orbe gefällt mir ganz und gar nicht. Für die empfohlene Route zum Lac de Joux und weiter nach Romamontier und Lausanne fehlt mir die Muße. Ein Radfahrer schlägt mir die Route über Mouthe zum Lac de Joux vor. Ich zaudere mit mir und der Zeit, die die Höhenmeter gekostet haben und entscheide mich Stunden später für die Strecke über Le Fourgs zum Col des Etroits.
Kennst Du dieses auszehrende Gefühl, wenn der Schweiß auf die Innenseite der Brille tropft, die Ohren im Takt der Blutbahn trommeln, der Fettring um die Hüfte heißer und heißer wird, sich der Bauchnabel die Energie des Universums aufsaugen will und Du gleich vom Rad kippst?
Absteigen. Schieben. Kleine Schritte. Völlig fertig steh ich in Le Fourgs, bekomme kaum den Mund auf und erhalte fast ohne zu fragen in der Touristen-Info die Adresse von Silvie und Jean Claude. Die kennen hier ihre pilgernden Pappenheimer!
Die beiden sind einfach herzallerliebst! Sie geben mir ein ganzes Appartement. Geld? „ Was Du magst.“
Scheinbar gebe ich 30% mehr, als hier Usus ist. Soviel möchten sie nicht annehmen, dabei sind sie mit ihrem kleinen Bauernhof nicht mit Reichtum gesegnet und Silvie arbeitet tagsüber noch in der Fromagerie gegenüber. Doch die beiden machen einen glücklichen Eindruck. Morgen wollen sie mit ihren MTBs eine Piste runter nach Yverdon und zurück über La Robella -als Training für ihre Sommertour von Lissabon nach Hause- radeln.
Nettes Ehepaar!
Bei Quiche au jambon und Salat lachen und erzählen wir übers Radfahren, Reisen und Gott und die Welt. Silvie meint, dass von all ihren Gästen die Deutschen am häufigsten über den Krieg sprechen. Das erlebe sie bei anderen Nationalitäten kaum bis gar nicht. Diese Erfahrung überrascht mich sehr. Für die beiden ist das alles Geschicht
e. Vorbei. Erledigt. Abgehakt. Es klingt ehrlich. Silvies Schlusssatz hat mich dann noch umgehauen.
„
Jaja, früher kamt ihr Deutschen mit dem Panzer und heute kommt ihr mit dem Fahrrad!“
Ich bin sprachlos.
Morgen möge ich bitte um sieben am Frühstückstisch sitzen. Bevor sie loskönnen, müssen sie noch ihre Tiere versorgen.
………. Die Schweiz wartet mit vielen Überraschungen auf.
Es geht hoch zum Col des Etroits. Der Himmel ist strahlend blau, die Straße steil. Trotzdem hätte ich wohl besser jedes Loch in den Taschen mit Lebensmitteln vollgepackt.
Oben komme ich schiebend an, sitze auf den Überresten der Maginot-Linie und denk mir, dass wir die Kriege auch deshalb nicht so schnell vergessen, weil bis vor 25 Jahren eine Mauer nicht nur unser Land, sondern die ganze Welt geteilt hat.
Mit einem überraschenden Wahnsinnsblick vom Jura-Balkon auf die Alpenkette erreiche ich mein 5. Land auf dem Weg nach Rom.
Mit den letzten Bildern verabschiede ich mich zunächst von meiner Tour. Ich habe mich entschlossen, von Yverdon-les-Bains nach Norden zu fahren. Es sind noch ca. 100km bis Biel. Das sollte ich bis morgen packen.
17 Tage auf dem Rad
850 Kilometer auf dem Sattel
14000 Höhenmeter in den Beinen (sagt Garmin)
Mit einem Schnitt von erwarteten 50km pro Radl-Tag geht es mir gut. Mein Blick schweift vom Jurabalkon runter auf die Ebene zwischen Yverdon-les-Bains und Lausanne. Die Sonne blendet mit den Gletschern im Hintergrund um die Wette. Wir schreiben Sonntag, den 10. Mai 2015. Am Mittwoch beginnt das Forumstreffen in Offenburg. Ich möchte nicht zu spät kommen und verwerfe den Plan
, weiter nach Lausanne zu radeln und von dort mit dem Zug nach Offenburg zu fahren.
Via Francigena; Neuss-Rom in kleinen Schritten. Teil III
............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten
............................Teil III: Urlaub von der Reise
der Rest vom ersten Urlaubstag:
Beschwingt wie ein Vogel rolle ich nach Yverdon-les-Bains, suche ein Café und bin entsetzt, dass ich für einen doppelten Espresso und ein Hörnchen 8,- Euro bezahlen muss. Nein, nicht direkt am See oder mitten auf dem Marktplatz, sondern irgendwo hinter dem Zentrum direkt an der Straße.
Mir wurde noch oft erzählt, dass die schweizerischen Kaffeepreise unverschämt und weit jenseits von einem akzeptablen Preis-Leistungsverhältnis seien. Selbst Schweizer werden mir das später bestätigen.
Mein Weg führt mich an der Westseite des Sees entlang. Die Campingplätze stehen noch immer unter Wasser. Der Lac de Neuchâtel hat durch die heftigen Regenfälle, die ich in Frankreich erlebte, ein extremes Hochwasser verzeichnet. Das geht nur langsam zurück. Die Folgen bleiben sichtbar.
Was mir stark auffällt, sind hunderte von Familien, die gemeinsam mit dem Rad unterwegs sind. So viele Kinderanhänger habe ich bis heute noch nicht gesehen. Das gefällt mir.
Dagegen ist die Radwegführung manchmal sehr böse. Steigungen von 14% lassen selbst die Schweizer ohne Gepäck fluchen und schimpfen. Vor Auvernier bleibe ich auf dem Campingplatz.
Ein sehr freundlicher Radfahrer fragt mich, ob er mir etwas zu essen anbieten könne. Er sitzt vor seinem Trangia und kocht Nudeln mit Sauce aus dem Tetra-Pack. Ich lehne sein Angebot höflich ab und erlebe das nächste schweizerische Preis-Debakel im Restaurant des Campingplatzes.
Statt 45,- Franken (in Worten: fünfundvierzig Euro) für das Campingmenu zu zahlen, nehme ich das billigste Essen, das mir der Kellner anbieten kann. So schlägt die Rechnung wie folgt zu Buche:
Campingplatz: 23,- Franken
Rösti (also 200gr geschnibbelte Kartoffeln für 35cent) mit Käse und 3 kleinen Bier: 35,- Franken
Fazit: Omannomannomann
zweiter Urlaubstag:
Heute ist Montag, da haben die Geschäfte auf.
Während ich so am See entlang rolle, mir Hotels auf Stelzen in demselben mit Hubschrauber-Landeplatz anschaue und den Kanal zum Bieler-See erreiche, ärgert es mich schon sehr, dass mir der finanzielle Aspekt so wichtig erscheint. Doch auch die Schweizer leiden unter der Abwertung des Euro extrem. Hat es jemals Butterfahrten von Basel nach Weil gegeben? Ich weiß es nicht.
………. Eingangs des Bieler Sees bei Vinelz lasse ich mir mit Blick auf die St.Petersinsel wunderbaren Joghurt und Käse, Brot und Schokolade aus heimischer Produktion schmecken. Lecker!
………. Am Kraftwerk steht der Uferweg unter Wasser. Der Radweg ist gesperrt. Mir entgegenkommende Radfahrer heben den Daumen hoch. 30cm. Die Taschen sind dicht.
………. Der Campingplatz ist vielen hier im Forum aus dem Jahre 2012 noch in guter Erinnerung.
………. Am Nachmittag fehlt dem Camping das gewisse Etwas. Ich vertrödele die Zeit in der Sonne.
………. Am Abend tanke ich mit Markus neue Energie. Ach ist das schön, so schön...................
dritter und vierter Urlaubstag:
Solche Treffen sind für mich mehr als das Salz in der Suppe. Wir können auch abseits des Forums manches vertraulich besprechen. Das ist wichtig für mich und mit ein Grund, hier im weltbesten Forum unterwegs zu sein.
Danke für Deinen lieben Besuch, Markus.
Mit dem Zug verlasse ich die Schweiz und bekomme zur Radfahrkarte sogar ein Zolldokument fürs Terra. Gegen Bezahlung natürlich.
In Emmendingen servieren mir Maria und Antonello mal wieder was ordentliches zu einem vernünftigen Preis auf den Teller. Dass ich mich hier immer wie zu Hause fühle, hat vielfältige Gründe......
Kaum in Offenburg aus dem Zug gestiegen, höre ich meinen Namen laut rufen. Überraschung geglückt!
Mit Kaffee, Kuchen, Eis, unbekannten und bekannten netten Menschen, Herzlichkeit, Freude und mehr vergehen die ersten zwei Stunden Forumstreffen mitten in der Fußgängerzone wie im Fluge.
………. Abends steht mein Zelt am See.
fünfter bis achter Urlaubstag:
………. Bei der aktuellen Betrachtung der Bilder möchte ich am liebsten sofort wieder los.
Die Tage vergehen viel zu schnell. Es gibt nix, aber auch gar nix, zu meckern.
„Roland, Du hast das Treffen perfekt ausgerichtet.
Dankeschön für die wunderbaren Tage.“
Ich bin voller Zuversicht, dass Ingo und uns allen in diesem Jahr ähnliches gelingt.
Am Sonntag, dem achten Urlaubstag, geht’s mit dem Mietwagen nach Hause.
neunter bis sechszehnter Urlaubstag:
Duschen, Waschen, Kette ölen, Mamas Geburtstag feiern und den Fernbus zurück nach Freiburg zu buchen, waren erwartete Momente.
Veloträumer auf dem Rückweg nach Lausanne in Freiburg auf dem Campingplatz zu treffen, war dagegen sehr überraschend.
Ich ahnte, was da auf mich zukam, als ich grüne Radschuhe sah……………………………….
………. Mit einem Photo aus Lausanne, das ich mit dem Zug von Freiburg erreichte, möchte ich den Urlaubsbericht beenden.
………. denn morgen geht’s nach Italien.
Rom wartet auf mich.